02 - Von dir kann ich nicht lassen
hell erleuchteten Teil des Hauses fort zu einem dunklen, stillen Eingang.
Er drehte sie mit dem Rücken zur Tür und stellte sich vor sie hin, wobei er ihr
Handgelenk noch immer festhielt. Sein Gesicht war nur Dunkelheit und Schatten.
Sie konnte nur seine Augen sehen, die mit solch intensiver Leidenschaft, Gram,
Sehnsucht und Verzweiflung in die ihren blickten, dass sie seinen Blick nur
stumm und todunglücklich erwidern konnte.
Beide
schwiegen. Aber die Stille war voller unausgesprochener Worte.
Ich
könnte morgen oder übermorgen sterben.
Du
könntest mich vielleicht verlassen. Du könntest
vielleicht
sterben.
Dies
könnte vielleicht der Abschied sein.
Für
immer Wie werde ich die Ewigkeit ohne dich ertragen?
Meine
Liebe.
Meine
Liebe.
Und
dann nahm er sie in die Arme und hielt sie fest, fest, als wollte er sie ganz
in sich aufnehmen. Sie klammerte sich an ihn, als wollte sie mit ihm
verschmelzen, auf ewig eins mit ihm werden. Sie konnte ihn spüren und ihn
riechen und seinen Herzschlag hören.
Vielleicht
zum letzten Mal.
Er fand
in der Dunkelheit ihren Mund, und sie küssten sich leidenschaftlich, ungeachtet
der Nähe so vieler ihresgleichen in den nahe gelegenen Räumen. Jane spürte
seine Leidenschaft, seine Männlichkeit, sein Wesen. Aber es zählte nur, dass er
Jocelyn war, dass er die Luft war, die sie atmete, das Herz, das in ihr schlug,
die Seele, die ihrem Leben Sinn gab. Und dass er da war, warm und lebendig und
in ihren Armen.
Sie
würde ihn niemals wieder gehen lassen. Niemals.
Aber er
hob den Kopf, blickte einen langen Moment auf sie hinab, ließ sie dann los und
war fort. Sie lauschte dem Klang seiner sich den Flur hinab in Richtung Salon
entfernenden Schritte und war allein.
Und
einsamer, als sie es jemals zuvor in ihrem Leben gewesen war. Sie starrte blind
in den fast dunklen Flurjenseits des Eingangs.
Sie
hatten beide kein Wort gesagt.
»Da
sind Sie«, sagte eine Stimme ungefähr eine Minute später sanft. »Gestatten Sie
mir, Sie zu Lady Webb zu geleiten. Soll ich sie bitten, Sie nach Hause zu
bringen?«
Sie
konnte ihm einige Augenblicke lang nicht antworten. Aber dann schluckte sie und
verließ energisch den Eingang. »Nein, danke, Lord Ferdinand«, sagte sie. »Ist
Lady Oliver noch hier? Wissen Sie das? Würden Sie mich bitte zu ihr bringen?«
Er
zögerte. »Ich glaube nicht, dass Sie sich ihretwegen beunruhigen müssen«, sagte
er. »Tresham ist nicht ...«
»Das
weiß ich«, sagte sie. »Oh, das weiß ich sehr gut. Aber ich möchte mit ihr
sprechen. Es ist an der Zeit, dass irgendjemand mit ihr spricht.«
Er
zögerte noch immer, aber dann bot er ihr seinen Arm und führte sie zur Soirée
zurück.
Lady
Oliver schien einige Schwierigkeiten zu haben, sich irgendeiner Gruppe
anschließen zu können. Sie stand allein mitten im Salon, fächelte sich Luft zu,
eher ein wenig geringschätzig, so als wollte sie ausdrücken, dass es unter
ihrer Würde sei, sich einer der dortigen Gruppen zuzugesellen.
»Ich
wette, dass sie nicht einmal eine Einladung erhalten hat«, murrte Lord
Ferdinand. »Lady Sangster hätte niemals sowohl sie als auch Tresham eingeladen.
Aber sie war vermutlich zu höflich, um die Frau abzuweisen. Und Sie sind sich
sicher, dass Sie mit ihr sprechen wollen?«
»Ja,
ich bin mir sicher«, beteuerte Jane ihm. »Sie brauchen nicht zu bleiben, Lord
Ferdinand. Danke. Sie sind sehr freundlich.«
Er
verbeugte sich steif vor Lady Oliver, die sich umwandte und überrascht die
Augenbrauen hob, als sie Jane sah.
»Nun«,
sagte sie, als Lord Ferdinand davonging, »die stadtbekannte Lady Sara
Illingsworth persönlich. Und was kann ich für Sie tun?«
Jane
hatte versuchen wollen, sie zum Erfrischungsraum zu geleiten, aber anscheinend
befanden sie sich auch hier auf einer kleinen Insel der Abgeschiedenheit,
umgeben von der Geräuschkulisse sich unterhaltender Menschengruppen und dem
Klang der Musik aus dem Nebenraum.
»Sie
können die Wahrheit sagen«, antwortete Jane und sah der anderen Frau sehr
direkt in die Augen.
Lady
Oliver öffnete ihren Fächer und hob ihn gemächlich vors Gesicht. »Die
Wahrheit?«, fragte sie. »Und welche Wahrheit meinen Sie, bitte?«
»Sie
haben das Leben Ihres Ehemannes und das des Duke of Tresham riskiert, weil Sie
nicht die Wahrheit sagen wollten«, warf Jane ihr vor. »Und jetzt wollen Sie das
Leben zweier Ihrer Brüder und das Seiner Gnaden erneut riskieren. Und das alles
nur, weil Sie nicht die Wahrheit gesagt haben.«
Lady
Oliver
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