02 - Von dir kann ich nicht lassen
sich plötzlich am Rand des
Waschständers festhalten, um nicht zu schwanken.
Wie
konnte sie auf die Wahrheit vertrauen, wenn alle Beweise und Zeugen gegen sie
sprachen?
Einer
der Gentlemen unten hatte gesagt, dass Sidney vielleicht doch nicht tot wäre.
Jane wusste sehr gut, wie Klatsch die Wahrheit verdrehen und verändern konnte.
Es hieß beispielsweise, sie habe in beiden Händen Pistolen gehalten! Vielleicht
hatte sich die Nachricht von Sidneys Tod einfach deshalb verbreitet, weil solch
ein Ausgang die Sinne all jener angenehm erregte, die stets gerne das
Schlimmste annahmen.
Vielleicht
war er noch immer nur bewusstlos.
Vielleicht
erholte er sich bereits recht gut.
Vielleicht
hatte er sich bereits vollständig erholt.
Und
vielleicht war er tot.
Jane
trocknete mit einem Handtuch ihre noch immer erhitzten Wangen und setzte sich
dann auf den harten Stuhl neben dem Waschständer. Sie würde warten, beschloss
sie, während sie auf ihre im Schoß verschränkten Hände hinabschaute sie
zitterten noch immer , bis sie die Wahrheit herausgefunden hatte. Dann
würde sie entscheiden, was am besten zu tun wäre.
Suchte
man sie bereits?, fragte sie sich. Sie presste eine Hand auf den Mund und
schloss die Augen. Sie musste auf alle Fälle außer Sicht weiterer Besucher
bleiben. Sie musste sich so oft wie möglich im Haus aufhalten.
Wenn
sie nur weiterhin ihre Hauben tragen könnte ...
Sie war
niemals ein Feigling gewesen. Sie war niemals vor ihren Problemen davongelaufen
oder hatte sich versteckt. Ganz im Gegenteil. Aber plötzlich war sie feige
geworden.
Natürlich
war sie auch noch niemals zuvor des Mordes beschuldigt worden.
Kapitel 6
Mick Boden, der
Kriminalbeamte, stand eine Woche nach seinem ersten Besuch erneut im
Privatwohnzimmer des Earl of Durbury im Pulteney Hotel. Er konnte keine
weiteren Neuigkeiten verkünden, als dass er immer noch keine Spur von Lady Sara
Illingsworth entdeckt hatte.
Sein
Scheitern missfiel ihm. Er hasste Aufgaben wie diese. Wäre er nach Cornwall
gerufen worden, um den Mordversuch an Sidney Jardine zu untersuchen, hätte er
all sein kriminalistisches Können dazu nutzen können, die Identität des Möchtegern-Mörders
aufzudecken und den Schurken festzunehmen. Aber es war nichts Rätselhaftes an
diesem Verbrechen. Die Lady hatte den abwesenden Earl gerade auszurauben
versucht, als Jardine sie erwischte. Sie hatte ihm mit irgendeinem harten
Gegenstand einen Schlag auf den Kopf versetzt, hatte ihn zweifellos
überrumpelt, weil er sie kannte und ihm nicht vollkommen klar war, was sie
vorhatte, und dann hatte sie sich mit der Beute davongemacht. Jardines
Kammerdiener hatte das Ganze miterlebt nach Micks Einschätzung ein
einzigartig feiger Mensch, da der Dieb nur ein Mädchen mit nichts Tödlicherem
als einem harten Gegenstand gewesen war, mit dem sie ihn hätte treffen können.
»Wenn
sie in London ist, werden wir sie finden, Sir«, sagte er nun.
»Wenn
sie in London ist? Wenn?« Der Earl schäumte vor Wut. »Natürlich ist sie
in London, Mann. Wo sollte sie sonst sein?«
Mick
hätte eine ganze Anzahl Orte aufzählen können, ohne auch nur nachdenken zu
müssen, aber er zupfte nur an seinem Ohrläppchen. »Wahrscheinlich nirgendwo
sonst«, räumte er ein. »Und wenn sie nicht vor einer Woche oder eher von hier
fortgegangen ist, wird sie es jetzt noch schwerer haben zu verschwinden, Sir.
Wir haben jeden Gastwirt und jeden Kutscher in der Stadt befragt. Niemand außer
dem Mann, der sie hierher gebracht hat, erinnert sich an eine Frau, auf die
ihre Beschreibung passt. Und jetzt passen wir genau auf.«
»Was
alles lobenswert ist«, sagte seine Lordschaft überaus ironisch. »Aber was tun
Sie, um sie innerhalb der Stadtgrenzen Londons zu finden? Eine Woche hätte
genügen sollen, selbst wenn Sie die ersten fünf oder sechs Tage die Beine
hochgelegt und geschlafen hätten.«
»Sie
ist nicht zu Lady Webbs Haus zurückgekehrt, Sir«, informierte Mick den Earl.
»Das haben wir überprüft. Wir haben das Hotel gefunden, wo sie nach ihrer
Ankunft zwei Nächte gewohnt hat, aber niemand weiß, wo sie von dort aus
hingegangen ist. Ihrer Aussage zufolge, Sir, kennt sie niemanden sonst in der
Stadt. Wenn sie jedoch ein Vermögen bei sich trägt, hätte ich vermutet, dass
sie ein weiteres Hotelzimmer oder eine Unterkunft in einem respektablen Viertel
nimmt. Aber wir haben bisher keinerlei Anzeichen dafür gefunden.«
»Es ist
Ihnen vermutlich nicht in den Sinn gekommen«, sagte der Earl,
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