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02 - Von dir kann ich nicht lassen

02 - Von dir kann ich nicht lassen

Titel: 02 - Von dir kann ich nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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muss, wie man
ehrenvoll verliert. Müssen Sie mich bei jeder Gelegenheit schelten? Ist dies
eine sanfte Tirade gegen meine Manieren und Moral?«
    »Ihre
Manieren und Moral gehen mich nichts an, Euer Gnaden«, antwortete sie. »Ich
äußere mich nur über das, was ich beobachtet habe.«
    »Sie
haben eine schlechte Meinung von mir«, stellte er fest.
    »Aber
ich vermute«, erwiderte sie, »dass Ihnen meine Meinung ohnehin nicht mehr
bedeutet als ein Fingerschnippen.«
    Er
lachte wieder leise. »Ich war einmal anders, wissen Sie«, sagte er. »Mein Vater
hat mich gerettet. Er stellte sicher, dass ich den letzten Schritt bei meiner
Erziehung zum Gentleman nach seinem Herzen tat. Vielleicht haben Sie Glück,
Miss Ingleby, dass Sie Ihren Vater oder Ihre Mutter niemals gekannt haben.«
    »Sie
müssen Sie geliebt haben«, sagte sie.
    »Liebe.«
Er lachte. »Sie haben vermutlich eine idealisierte Vorstellung von diesem
Gefühl, weil Sie selbst niemals viel davon kennen gelernt haben, oder auch von
dem, was manchmal dafür gehalten wird. Wenn Liebe selbstlose Hingabe an den
geliebten Menschen ist, Jane, dann gibt es so etwas tatsächlich nicht. Es gibt
nur Selbstsucht, Hingabe an das eigene Wohlergehen, was der geliebte Mensch
noch steigern soll. Abhängigkeit ist nicht Liebe. Herrschaft ist nicht Liebe.
Begierde ist es gewiss auch nicht, obwohl sie gelegentlich ein recht
beglückender Ersatz ist.«
    »Sie
armer Mann«, sagte sie.
    Er hob
sein Lorgnon ans Auge. Sie saß da und erwiderte seinen Blick, wobei sie recht
gelassen wirkte. Die meisten Frauen zupften an sich herum oder wanden sich
unter dem prüfenden Blick durch das Glas. In diesem Augenblick war die
Benutzung des Lorgnons ohnehin nur Gehabe. Seine Sehkraft war nicht so schlecht
entwickelt, dass er sie nicht auch ohne es ausgezeichnet gesehen hätte. Er
senkte das Glas wieder.
    »Meine
Mutter und mein Vater waren ein vollkommen glückliches Paar«, sagte er. »Ich
habe niemals erlebt, dass sie sich gestritten hätten oder einander böse gewesen
wären. Sie haben drei Kinder gezeugt, ein sicheres Zeichen ihrer gegenseitigen
Hingabe.«
    »Nun«,
sagte Jane, »dann haben Sie gerade Ihre eigene Theorie widerlegt.«
    »Vielleicht«,
sagte er, »kam es daher, dass sie sich nur drei oder vier Mal im Jahr wenige
Minuten sahen. Wenn mein Vater nach Acton Park nach Hause kam, fuhr
meine Mutter gerade nach London. Wenn sie zurückkam, fuhr er los. Ein
zivilisiertes und freundschaftliches Arrangement.« Und eines, was er zu jener
Zeit für recht normal gehalten hatte. Es war seltsam, wie Kinder, die nichts
anderes kennen gelernt hatten, sich fast jeder Situation anpassen konnten.
    Jane
schwieg. Sie saß sehr still.
    »Sie
waren auch wunderbar diskret«, sagte er, »wie jedes perfekte Paar es sein muss,
wenn die Harmonie in der Ehe aufrechterhalten werden soll. Kein Wort über die
Unzahl von Geliebten meiner Mutter drang jemals nach Acton. Ich wusste nichts
von ihnen, bis ich im Alter von sechzehn Jahren selbst nach London kam.
Glücklicherweise ähnele ich äußerlich meinem Vater. Wie auch Angeline und
Ferdinand. Sonst müsste man argwöhnen, dass einer von uns vielleicht ein
Bastard wäre, nicht wahr?«
    Er
hatte diese Worte nicht ausgesprochen, um damit zu verletzen, aber er dachte zu
spät daran, dass Jane Ingleby ihre Eltern nicht kannte. Er fragte sich, wer ihr
ihren Nachnamen gegeben hatte. Warum hieß sie nicht Smith oder Jones?
Vielleicht gehörte es zur Verfahrensweise eines besseren Waisenhauses, seine
Waisen von der großen Masse zu unterscheiden, indem sie ihnen weitaus
persönlichere Nachnamen gaben als üblich.
    »Ja«,
sagte sie. »Es tut mir Leid. Kein Kind sollte sich so verraten fühlen, selbst
wenn es der Ansicht der Welt nach alt genug ist, mit diesem Wissen fertig zu
werden. Es muss ein Schlag für Sie gewesen sein. Aber ich vermute, dass sie
ihre Kinder dennoch geliebt hat.«
    »Wenn
die Anzahl und Pracht der Geschenke, die, sie von London mitbrachte, ein
Hinweis sein sollten«, sagte er, »dann war sie regelrecht vernarrt in uns. Mein
Vater war für sein Vergnügen nicht auf die Monate in London angewiesen. In einer
entlegenen Ecke von Acton Park gibt es ein malerisches Cottage, Jane. Ein Fluss
verläuft am rückwärtigen Garten entlang, bewaldete Hügel steigen rundherum auf.
Es ist wirklich ein idyllischer Platz. Während ich aufwuchs, war es mehrere
Jahre lang das Heim einer mittellosen Verwandten, einer Frau von erheblichem
Liebreiz und großer

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