02 - Von dir kann ich nicht lassen
von hier fortgehen«, sagte er jäh. »Darauf hatten wir uns geeinigt,
Jane. Nach letzter Nacht ist es sogar noch unumgänglicher, dass Sie gehen.«
Sie
nickte und blickte auf ihre Hände im Schoß hinab. Wenn sie gehofft hatte, er
würde stärker versuchen,' sie mit dem fadenscheinigen Vorwand seiner
zerkratzten Hände zum Bleiben zu überreden, so musste sie nun enttäuscht sein.
»Aber
Sie könnten woanders leben« fuhr er fort, »wo wir einander täglich sehen
könnten, fern von den neugierigen Blicken und dem Gerede der Beau monde. Würde
Ihnen das gefallen?«
Sie hob
langsam den Blick. Die Bedeutung seiner Worte war kaum misszuverstehen. Was sie
nicht glauben konnte, war ihre eigene Reaktion, oder eher deren Fehlen. Ihr
mangelnder Mut. Ihre Sehnsucht. Die Versuchung.
Er
erwiderte ihren Blick fest, mit sehr dunklen Augen.
»Ich
würde für Sie sorgen, Jane«, sagte er. »Sie könnten stilvoll leben. Ein Heim
und Dienstboten und eine Kutsche für Sie allein. Kleidung und Schmuck. Ein
annehmbares Gehalt. Eine gewisse Freiheit. Übrigens weitaus mehr Freiheit als
eine verheiratete Frau genießt.«
»Als
Entgelt dafür, mit Ihnen zu schlafen«, sagte sie ruhig. Es war keine Frage. Die
Antwort war zu offensichtlich.
»Ich
besitze eine gewisse Sachkenntnis«, belehrte er sie. »Es wäre mir ein
Vergnügen, sie zu Ihrer Freude einzusetzen. Es wäre ein fairer Handel. Sie
können mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass Sie niemals daran gedacht hätten,
mit mir zu schlafen? Dass Sie es niemals gewollt haben? Dass ich Sie in
irgendeiner Weise abstoße. Kommen Sie, seien Sie ehrlich. Ich weiß, wenn Sie
lügen.«
»Ich
brauche nicht zu lügen«, erwiderte sie. »Und ich brauche auf das alles nicht zu
antworten. Ich werde fünfhundert Pfund und mein Gehalt für drei Wochen haben.
Ich kann gehen, wohin immer ich will, und tun, was immer ich möchte. Das ist
für einen genügsamen Menschen ein Vermögen, Euer Gnaden. Ich bin nicht
gezwungen, einen Freibrief von Ihnen anzunehmen.«
Er
lachte leise. »Ich glaube nicht, Jane«, sagte er, »dass ich jemals töricht
genug wäre zu versuchen, Sie zu etwas zu zwingen. Ich verführe Sie nicht. Ich
locke Sie nicht. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, einen geschäftlichen
Vorschlag, wenn Sie so wollen. Sie brauchen ein Heim und eine Einnahmequelle
über das hinaus, was Sie bereits haben. Sie brauchen eine gewisse Sicherheit
und vermutlich auch jemanden, der Sie von Ihrer Einsamkeit ablenkt. Sie sind
immerhin eine Frau mit sexuellen Bedürfnissen, und Sie fühlen sich sexuell zu
mir hingezogen. Und ich brauche eine Mätresse. Ich bin schon erschreckend lange
frauenlos. Ich bin sogar schon dazu übergegangen, Pflegerinnen vor ihrem Zimmer
in Bedrängnis zu bringen, wenn ich sie dorthin geleite, und ihnen Küsse zu
rauben. Ich brauche jemanden, den ich, wenn ich Muße habe, besuchen kann,
jemanden, der meine sexuellen Bedürfnisse befriedigen kann. Sie können das, Jane.
Ich begehre Sie. Und ich besitze natürlich die Mittel, mit denen ich es Ihnen
ermöglichen kann, stilvoll zu leben.«
Und im
Verborgenen.
Jane
schaute auf ihre Hände, aber in Gedanken erwog sie sein Angebot. Sie konnte
nicht recht glauben, dass sie es tat, aber sie vermied es bewusst, einfach
entsetzt und zornig zu reagieren.
Selbst wenn
sie annahm, dass sie niemals aufgespürt würde, könnte sie doch auch niemals
wieder Lady Sara Illingsworth werden. Sie könnte niemals an ihrem
fünfundzwanzigsten Geburtstag das ihr zustehende Erbe antreten. Sie musste ihre
Zukunft praktisch bedenken. Sie musste irgendwo leben. Sie musste arbeiten.
Fünfhundert Pfund würden nicht ewig reichen, gleichgültig wie genügsam sie
lebte. Sie war vollkommen in der Lage, eine für eine Dame von Stand geeignete
Beschäftigung anzunehmen als Lehrerin oder Gouvernante oder
Gesellschafterin. Aber um das zu tun, müsste sie sich bewerben, sie müsste
Referenzen vorweisen, sie müsste ihre Entdeckung riskieren.
Die
Alternative war, sich mit niedrigen Arbeiten mühsam eine Existenz aufzubauen.
Oder die Mätresse des Duke of Tresham zu werden.
»Nun,
Jane?«, fragte er in das lange Schweigen hinein, das seinen letzten Worten
gefolgt war. »Was sagen Sie?«
Sie
atmete tief ein und sah zu ihm hoch.
Sie
würde ihn nicht verlassen müssen.
Sie
würde mit ihm schlafen. Ohne mit ihm verheiratet zu sein. Sie würde eine
Mätresse sein, eine bezahlte Frau.
»Welche
Art Haus?«, fragte sie. »Und wie viele Dienstboten? Wie viel Gehalt?
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