02 - Von dir kann ich nicht lassen
Vergnügen gegeben und genommen hatten. Sie
waren verdammt, er konnte nicht aufhören, so zu denken, wie er
gesprochen hatte. Er war sie geworden, und sie war er geworden. Nicht dass das
nun alles gewesen wäre. Sie waren beide gemeinsam ein neues Wesen geworden, das
sie beide gemeinsam und keiner von ihnen allein war.
Er
würde im Tollhaus landen, wenn er nicht aufpasste.
Es war
etwas gewesen, was weit über seine Erfahrungen hinausging. Und gewiss über
seine Absichten. Er hatte wieder eine Mätresse haben wollen. Eine Frau, mit der
er nach Belieben schlafen konnte. Etwas wirklich ganz Grundsätzliches und
Einfaches. Er hatte Jane begehrt. Sie hatte ein Heim und eine Anstellung
gebraucht.
Es
schien alles vollkommen Sinn zu ergeben.
Bis sie
ihr Haar herabgelassen hatte. Nein, das hatte sein Verlangen nur noch genährt.
Bis sie
ihn beim Namen genannt hatte. Und noch etwas anderes gesagt hatte. Was, zum
Teufel, hatte sie gesagt? Er rieb mit der Wange über die warme Seide ihres
Haars und zog sie noch ein wenig näher an sich.
jedermann
sollte wissen, wie es ist, bei seinem Namen genannt zu werden. Beim Namen der
einzigartigen Persönlichkeit, die man im Innersten ist.
ja, das
hatte es bewirkt. Diese wenigen törichten Worte.
Er war
von Geburt an ein Earl mit dem Rang eines Marquis sowie Erbe einer Herzogswürde
gewesen. Seine ganze Erziehung, die offizielle und die inoffizielle, war darauf
bedacht gewesen, ihn auf die Übernahme des Titels und des Ranges seines Vaters
vorzubereiten, wenn die Zeit käme. Er hatte seine Lektionen gut gelernt. Er
hatte beides im Alter von siebzehn Jahren übernommen.
... die
einzigartige Persönlichkeit, die man im Innersten ist.
Er
hatte kein Herz. Dudleys hatten im Allgemeinen keines.
Und er
besaß keine einzigartige Persönlichkeit. Er war das, was sein Vater und alle
anderen stets von ihm erwartet hatten. Er hatte nun schon seit Jahren den Ruf
eines finsteren, skrupellosen, gefährlichen Mannes wie einen Umhang um sich
gelegt.
Janes
Haar duftete nach Rosen, ein Duft, der sie stets umgab. Es ließ ihn an Gärten
im Frühsommer auf dem Lande denken. Und erfüllte ihn mit einer seltsamen
Sehnsucht. Seltsam, weil er das Land hasste. Er war erst zwei Mal wieder in
Acton Park gewesen, seinem Landgut seitdem er es mit sechzehn Jahren
nach einem erbittertem Streit mit seinem Vater verlassen hatte. Einmal zur
Beerdigung seines Vaters kaum ein Jahr später, und einmal zur Beerdigung seiner
Mutter vierjahre später.
Er
hatte die Absicht gehabt, niemals zurückzukehren, bis er eines Tages zu seiner
eigenen Beerdigung dorthin zurückgetragen würde. Aber nun, während er Jane
festhielt, konnte er die Augen schließen und sich an die weichen, bewaldeten
Hügel östlich des Hauses erinnern, wo er und Ferdinand und Angeline Räuber und
Gendarm und Robin Hood und Forschungsreisende gespielt hatten. Und wo er
manchmal, wenn er allein war, Dichter und Denker gespielt, in den Düften der
ursprünglichen Natur geschwelgt, die Weite und das Geheimnis dieser nebelhaften
Sache namens Leben gespürt und seine Gedanken und Gefühle und Ahnungen in Worte
zu fassen versucht hatte. Und gelegentlich gemocht hatte, was er geschrieben
hatte.
Bevor
er sein Zuhause verlassen hatte, hatte er jedes Wort in leidenschaftlichem Zorn
und Abscheu zerrissen.
Er
hatte schon ewig lange nicht mehr an Zuhause gedacht. Zumindest nicht als Zuhause, wenn er auch die Führung des Gutes sorgfältig im Auge behielt. Er hatte
vergessen, dass Acton Park jemals ein Zuhause gewesen war. Aber es war so.
Früher. Eine Kinderfrau hatte ihnen in großzügigem Maße Disziplin und Zuneigung
zukommen lassen. Sie war bei ihnen gewesen, bis er acht oder neun Jahre alt
war. Er konnte sich sogar noch daran erinnern, warum sie entlassen worden war.
Er hatte Zahnschmerzen gehabt, und sie hatte ihn im Kinderzimmer auf dem Schoß
gehalten, sein schmerzendes Gesicht mit ihrer großen, fleischigen Hand liebkost
und leise für ihn gesungen. Dann war sein Vater unangekündigt ins Kinderzimmer
getreten ein seltenes Ereignis.
Sie war
vom Fleck weg entlassen worden.
Er,
Jocelyn, war ins Arbeitszimmer seines Vaters hinabgeschickt worden, um die
Schläge zu erwarten, denen das Ziehen seines Zahnes gefolgt war.
Der
Duke of Tresham, hatte sein Vater ihn mit jedem schmerzhaften Streich des
Stockes auf seine Kehrseite erinnert, erzog seine Söhne nicht zu Mädchen.
Besonders nicht seinen Erben.
»Jocelyn.«
Jane war wieder aufgewacht. Sie neigte
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