02 - Von dir kann ich nicht lassen
glauben, dass er
noch vor einer halben Stunde nackt mit ihr oben im Bett gelegen hatte. Es fiel
ihr, trotz des physischen Beweises ihrer Wundheit und ihrer empfindlichen
Brüste und zittrigen Beine, bereits schwer zu glauben, dass irgendetwas von
alledem geschehen war.
»Ich
habe eine Verabredung zum Abendessen«, sagte er. »Und ich muss heute Abend noch
an einem grässlichen Ball teilnehmen. Nein, ich bin nicht gekommen, um zu
bleiben, Jane. Nur um unsere Liaison zu vollziehen.«
Es
würde nicht leicht werden, seine Mätresse zu sein. Aber das hatte sie auch
nicht erwartet. Er war ein überheblicher Mann mit ungewissen Launen. Er war es
gewohnt, auf eigene Art zu handeln, besonders bei Frauen. Aber besonders schwer
würde es werden, mit diesen seltsamen, plötzlichen Stimmungsschwankungen
zurechtzukommen.
Sie
hätte sich durch seine Worte verletzt und herabgesetzt fühlen müssen, wie es
gewesen war, als er zuvor im Bett ähnlich zu ihr gesprochen hatte. Aber sie
erkannte, dass die Worte nicht gleichgültig, sondern recht bewusst
ausgesprochen wurden. Sie war sich nicht sicher warum. Um sie daran zu
erinnern, dass sie seine Mätresse, nicht seine Geliebte war?
Oder um
sich selbst davon zu überzeugen, dass sie ihm nicht mehr bedeutete als ein
weiblicher Körper, den er zu seinem Vergnügen benutzte?
Aber
trotz all ihrer Unkenntnis und Unerfahrenheit würde sie schwören, dass er sie
nicht benutzt hatte, als er das erste Mal in sie eingedrungen war. Sie war
nicht nur der Körper irgendeiner Frau gewesen. Es war nicht nur fleischliche
Lust gewesen. Er hatte sie geliebt.
Und nun
schämte er sich, solche Schwäche gezeigt zu haben.
»Nun,
das ist eine Erleichterung«, sagte sie kühl. »Es gilt noch verschiedene
Umgestaltungen in den anderen Räumen vorzunehmen, mit denen ich heute beginnen
zu können gehofft hatte, aber ich habe bereits den größten Teil des Nachmittags
verloren.«
Er
schaute über die Schulter zu ihr, ohne sich umzuwenden, und betrachtete sie
angestrengt.
»Du
lässt dich nicht in deine Schranken verweisen, nicht wahr, Jane?«
»Wenn
Sie damit meinen«, erwiderte sie, »dass ich Ihnen nicht erlauben werde, mir das
Gefühl zu vermitteln, eine Hure zu sein, Euer Gnaden, dann ist die Antwort
nein. Das werde ich nicht tun. Ich werde hier sein, wann immer Sie mich
brauchen. So lautet unsere Vereinbarung. Aber mein Leben wird nicht um ihre
Besuche kreisen. Ich werde meine Tage nicht damit verbringen, sehnsüchtig aus dem
Fenster zu starren, und meine Abende nicht damit, erwartungsvoll auf den
Türklopfer zu lauschen.«
Sie
erinnerte sich schuldbewusst daran, wie sie den ganzen Morgen zwischen den
Fenstern auf und abgeschritten war. Das würde sie niemals wieder tun.
»Vielleicht,
Jane«, sagte er sanft, die Augen gefährlich verengt, »sollte ich vorab eine
Nachricht schicken, wann immer ich mit dir schlafen will, um zu fragen, ob du
mich in deinen vollen Terminkalender einfügen kannst.«
»Du
hast nicht zugehört«, sagte sie. »Ich habe einen Vertrag unterzeichnet, und ich
gedenke ihn einzuhalten und dafür zu sorgen, dass du es ebenfalls tust.«
»Was
wirst du tatsächlich mit deiner Zeit anfangen?« Er wandte sich vom
Fenster um und sah sie über den leeren Raum hinweg an. »Wirst du ausgehen?«
»In den
Garten hinter dem Haus«, sagte sie. »Er ist recht hübsch, obwohl er bearbeitet
werden muss. Ich habe diesbezüglich einige Ideen und auch bereits begonnen, sie
umzusetzen.«
»Liest
du gern?« Er runzelte die Stirn. »Gibt es hier irgendwelche Bücher?«
»Nein.«
Er sollte sehr genau wissen, dass es keine gab.
»Ich
werde dich morgen früh in Hookham's Bücherei mitnehmen«, sagte er plötzlich,
»und dir einen Mitgliedsausweis besorgen.«
»Nein!«,
sagte sie scharf Sie entspannte sich wieder. »Nein, danke, Jocelyn. Ich habe
viel zu tun. Es braucht viel Zeit und Energie, ein Bordell in ein Zuhause zu
verwandeln, weißt du.«
»Das
war grundlose Unverschämtheit, Jane, und deiner unwürdig.« Er wirkte sehr groß
und bedrohlich, wie er da vor ihrem Stuhl stand, die Füße gespreizt, noch immer
die Stirn runzelnd. »Wenn ich dich zu einem Spaziergang in den Hyde Park führen
wollte, wärest du wahrscheinlich auch dafür zu beschäftigt, oder?«
»Ja.« Sie nickte.
»Du brauchst dir meinetwegen keine Ungelegenheiten zu machen.«
Er sah
sie lange an, seine Miene so unergründlich, dass sie in ihm nichts von dem Mann
wiedererkannte, der sie noch vor so kurzer Zeit mit
Weitere Kostenlose Bücher