02 - Von dir kann ich nicht lassen
erklärte sie ihm steif, »dass Pflicht nicht auch Vergnügen
sein kann.«
»Dann
komm und lass mich dir zeigen«, sagte er, »wie äußerst vergnüglich es sein
wird, selbst zu reiten, anstatt immer nur geritten zu werden, Jane. Lass mich
dir zeigen, wie du mich beherrschen kannst.«
»Ich
möchte nicht ...« Aber plötzlich lachte sie, ein freudiger Laut, den ihr
entlockt zu haben er genoss. »Du bist nicht mein Herr, Jocelyn. Warum sollte
ich dann dich beherrschen wollen? Aber gut. Zeige mir, wie man reitet. Ist es
wie bei einem Pferd? Ich reite recht gut. Und sie müssen wahrhaftig lernen, wer
der Herr ist, diese wundervollen Tiere.«
Er
lachte mit ihr, während er sie aus dem Raum geleitete.
Spätnachmittags am
letzten Tag der ersten Woche beendete er das Portrait. Er hatte am Abend eine
Verabredung zum Essen, eine für Jane enttäuschende Tatsache, aber sie
erwartete, dass er zur Nacht zurückkehren würde. jedoch war eine Woche ihres
kostbaren Monats bereits vorüber. Nur drei blieben noch. Sie begehrte jeden Tag
jede Stunde.
Sie
liebte es noch mehr, ihm beim Malen zuzusehen, als sie es liebte, ihn das Pianoforte
spielen zu hören. Mit letzterer Betätigung betrat er sehr rasch eine eigene
Welt, in der die Musik mühelos strömte. Die Arbeit an seiner Staffelei kostete
ihn mehr Mühe. Er runzelte die Stirn und murmelte Flüche, war aber von seiner
Aufgabe auch ganz eingenommen.
Und
schließlich beendete er das Bild. Er reinigte den Pinsel und sagte: »Nun, du
hast es dir vermutlich heimlich angesehen, wann immer ich das Haus verlassen
habe.«
»Das
habe ich nicht getan!«, sagte sie empört. »Allein der Gedanke, Jocelyn! Du
hättest es zweifellos getan.«
»Nicht
wenn ich mein Wort gegeben hätte«, sagte en »Außerdem brauchte ich niemals
heimlich nachzusehen.
Ich würde es offen tun. Dann komm und sieh es dir an. Schau, ob du dir
gefällst.«
»Ist es
fertig?« Er hatte vorher keinerlei Andeutung gemacht, dass dem bald so wäre.
Sie zog ihre Nadel durch den Stoff und sprang auf.
»Komm
und entdecke, dass es wahr ist, dass ich mich wirklich nur oberflächlich damit
beschäftige«, sagte er, zuckte die Achseln, als kümmere es ihn nicht, welches
Urteil sie fällen würde, und beschäftigte sich mit dem Säubern seiner Palette.
Jane
hatte nun beinahe Angst, es sich anzusehen, da sie befürchtete, tatsächlich ein
minderwertiges Werk vorzufinden, über das sie dennoch taktvoll urteilen müsse.
Obwohl er ihr gewiss den Kopf abreißen würde, wenn sie nicht vollkommen offen
und ehrlich wäre.
Ihr
erster Eindruck war, dass das Bild ihr schmeichelte. Sie saß über ihre Arbeit
gebeugt, jede Linie ihres Körpers anmutig gebogen. Ihr Gesicht war im Profil zu
sehen und sie wirkte geschäftig und ganz von dem in Anspruch genommen, was sie tat. Aber
so sah sie sich natürlich niemals selbst. Es sah ihr vermutlich wirklich recht
ähnlich. Sie errötete vor Freude.
Ihr
zweiter Eindruck war, dass die Ähnlichkeit des Porträts eigentlich nicht
wichtig war. Sie betrachtete keine Leinwand, die nur gestaltet worden wäre,
damit das Modell die schmeichelnde Ähnlichkeit bewundern sollte. Sie blickte
auf etwas auf mehr.
Die
Farben waren bunter, als sie erwartet hatte, obwohl sie bei genauerem Hinsehen
erkennen konnte, dass sie der Realität entsprachen. Aber da war noch etwas. Sie
runzelte die Stirn. Sie wusste nicht, was es war. Sie war noch nie eine
Kunstkennerin gewesen.
»Nun?«
Es lagen Ungeduld und eine Welt des Hochmuts in seiner Stimme. Und auch eine
Spur Angst? »Habe ich dich nicht schön genug gemalt, Jane? Fühlst du dich nicht
geschmeichelt?«
»Wo ...?«
Sie runzelte erneut die Stirn. Sie wusste nicht genau, was sie fragen wollte.
»Woher kommt das Licht?«
Das war
es. Das Gemälde zeigte ein ausgezeichnetes Porträt. Es war farbenfroh und
geschmackvoll. Aber es war mehr als nur ein Gemälde. Es besaß Leben. Und
es war Licht darin, obwohl sie sich nicht ganz sicher war, was sie damit
meinte. Natürlich war Licht darin. Es war eindeutig eine am Tage festgehaltene
Szene.
»Ah«,
sagte er weich, »dann habe ich es geschafft, Jane? Habe ich es wirklich
eingefangen? Dein Wesen? Das Licht kommt aus dir. Es ist die Wirkung, die du
auf deine Umgebung hast.«
Aber
wie hatte er das gemacht?
»Du
bist enttäuscht«, sagte er.
Sie
wandte sich zu ihm um und schüttelte den Kopf »Du hattest vermutlich niemals
einen Kunstlehrer. Es wäre einem zukünftigen Duke of Tresham gewiss nicht
erlaubt gewesen.
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