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02 - Von dir kann ich nicht lassen

02 - Von dir kann ich nicht lassen

Titel: 02 - Von dir kann ich nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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Gegenwart
zurück.
    »Ich
habe meine Kleider aufgesammelt und bin aus dem Cottage gestürzt«, sagte er,
»ohne auch nur stehen zu bleiben, um mich anzuziehen. Ich musste mich
übergeben. Teilweise weil mein Vater bei so etwas entsetzlich Intimem zugesehen
hatte. Teilweise weil ich mich mit seiner Mätresse eingelassen und er
das alles geplant hatte. Ich hatte bis dahin nicht gewusst, dass er überhaupt
Mätressen hatte. Ich hatte angenommen, er und meine Mutter wären einander treu ergeben.
Es hat wohl niemals einen naiveren Menschen gegeben, als ich es in meiner
Kindheit war, Jane.«
    »Armer
Junge«, sagte Jane leise.
    »Ich
durfte mich nicht einmal in Ruhe übergeben.« Er lachte rau. »Mein Vater hatte
auf seinem Ritt zum Cottage jemanden mitgebracht seinen Nachbarn, den
Vater des Mädchens, in das ich verliebt zu sein glaubte. Und mein Vater folgte
mir auf dem Fuße, um den Spaß in allen grässlichen Einzelheiten wiederzugeben.
Er wollte uns beide mit ins Dorfgasthaus nehmen, um mit einem Glas Ale auf mein
frisch erworbenes Mannestum anzustoßen. Ich sagte ihm, er solle zur Hölle
gehen, und ich wiederholte die Aufforderung noch ausführlicher, als wir später
zu Hause waren. Am nächsten Tag verließ ich Acton.«
    »Und
dafür hast du dich die ganze Zeit schuldig gefühlt?«, fragte Jane. Er bemerkte
plötzlich, dass sie ihren Platz verlassen hatte und am Kamin vorbei an seinen
Sessel getreten war. Bevor er erkannte, was sie vorhatte, saß sie bereits auf
seinem Schoß und rollte sich dort ein, bis ihr Kopf an seiner Schulter lag.
Seine Arme schlossen sich rein aus Reflex um sie.
    »Ich
habe mich gefühlt, als hätte ich Inzest begangen«, sagte er. »Sie war die Hure
meines Vaters, Jane.«
    »Du
warst auf Gnade und Ungnade einerseits einem skrupellosen Mann und andererseits
einer erfahrenen Kurtisane ausgeliefert«, belehrte sie ihn. »Es war nicht deine
Schuld.«
    »Ich
war in ein unschuldiges junges Mädchen verliebt«, sagte er. »Und doch
verschwendete ich keinen Gedanken an sie, als ich mit einer zehn Jahre älteren
Frau schlief, mit der ich verwandt zu sein glaubte. Ich habe durch diese
Erfahrung jedoch eine wertvolle Lektion gelernt, Jane. Ich war durch und durch
der Sohn meines Vaters. Ich bin der Sohn meines Vaters.«
    »Jocelyn«,
sagte sie, »du warst sechzehn. Gleichgültig, wer du warst, du hättest ein
Übermensch oder ein Untermensch sein müssen, um solch einer
mächtigen Versuchung zu widerstehen. Du darfst es dir nicht vorwerfen. Nicht
mehr. jene Ereignisse sind kein Beweis, dass du verdorben wärst. Nicht im
geringsten.«
    »Ich
habe noch einige Jahre länger gebraucht, das zu beweisen«, sagte er.
    »Jocelyn.«
Er konnte ihre Finger mit einem Knopf seiner Weste spielen spüren. »Sage mir
wenn du eines Tages in der Zukunft einen Sohn hast wirst du ihm das jemals
antun? Ihn von einer deiner eigenen Mätressen einweihen lassen?«
    Er
atmete langsam ein und stellte es sich vor den kostbaren Menschen, der
sein Sohn wäre, durch seinen Samen gezeugt, und die Frau, mit der er lieber
seine Begierde stillen würde, als seiner Ehefrau treu zu bleiben. Wie sie
zusammenkamen, wie sie es taten, während er zusah.
    »Ich
würde mir eher das Herz herausreißen«, antwortete er. »Mein nicht vorhandenes
Herz.«
    »Dann
bist du nicht wie dein Vater«, sagte sie, »oder wie dein Großvater. Du bist du
selbst. Du warst ein sensibler, künstlerisch veranlagter, romantischer junge,
der unterdrückt und schließlich roh verführt wurde. Das ist alles, Jocelyn. Du
hast zugelassen, dass dein Leben von diesen Ereignissen überschattet wurde.
Aber du hast noch ein langes Leben vor dir. Vergib dir selbst.«
    »Ich
habe meinen Vater an jenem Tag verloren«, sagte er. »Ich habe meine Mutter bald
darauf verloren, nachdem ich in London angekommen war und dort die Wahrheit
über sie herausfand.«
    »Ja«,
sagte sie traurig. »Aber vergib auch ihnen, Jocelyn. Sie waren die Produkte
ihrer eigenen Erziehung und Erfahrungen. Wer weiß, welche Dämonen sie mit sich
herumtrugen? Eltern sind nicht nur Eltern. Sie sind auch Menschen. Schwach wie
wir alle anderen auch.«
    Seine
Finger spielten mit ihrem Haan »Was, hat dich so weise werden lassen?«
    Sie
antwortete eine Zeit lang nicht. »Es ist immer leichter, das Leben eines
anderen Menschen zu betrachten und die Anlagen zu erkennen«, sagte sie,
»besonders wenn man jemanden gern hat.«
    »Also
hast du mich gern, Jane?«, fragte er und küsste ihren Scheitel.

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