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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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doch nicht widerstehen. Der Satz lautet: Hast du Lust, morgen Abend zu mir auf die Farm zum Essen kommen, sagen wir so gegen acht ?
    Ein Satz, der mal so für sich, so ohne Kontext, ein eher bedeutungsloser Satz ist. Aber wenn man ihn in Zusammenhänge bringt, wenn man bedenkt, wie die letzten vierundzwanzig Stunden ausgesehen haben, wenn man an die Szene im Zimmer im Motel denkt, kurz ehe April an die Tür klopfte, und an die Spannung zwischen uns und an den Fast-Kuss auf dem Pier, dann ist der Satz doch vielversprechend, finde ich. Er verspricht im Grunde sehr viel mehr als nur eine nette Mahlzeit, oder etwa nicht?
    Der Satz kann bedeuten: Ich möchte dich unbedingt wiedersehen und zwar so schnell wie möglich, nämlich gleich morgen. Er kann bedeuten: Ich werde dir was ganz besonders Schönes kochen, denn ich habe in der Stadt gut eingekauft, die ganzen leckeren Sachen, der Lachs, der Blätterteig, die frischen Kräuter, die ich bei Thrifty Foods gekauft habe, die sind nämlich für dich, Jasmin, und du weißt, ich kann gut kochen, und du weißt, ich bin ein guter Gastgeber und ein guter Gastgeber werde ich sein. In jeder Beziehung. Er kann bedeuten: Ich finde dich total nett und ich will sehr viel mehr von dir, als nur zusammen essen.
    Und so weiter und so fort und so weiter und so fort und so weiter und so fort. Eine LP mit Sprung.
    Ich flüstere Carl eine kurze Antwort ins Ohr. Eine einfache kurze Antwort. Ein schlichtes Ja. Das natürlich in Wirklichkeit ein ja, ja ich will, ja ist.
    Und während ich die ganzen Einkäufe aus den Plastiktüten befreie und in Schrank, Regal und Kühlschrank verteile, wird mir klar, dass ich einen ganz entscheidenden Einkauf vergessen habe. Vergessen ist das falsche Wort. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich dieses Etwas brauchen würde. Etwas, das ich morgen vielleicht brauche. Hoffentlich brauchen werde. Etwas, das man hier im Dorf nicht kaufen kann. Etwas, das man nur in der Stadt bekommt. Ich kenne allerdings jemanden, der es hat und nicht braucht. Und zwar Jeff.
     
    Ich sitze am Vormittag zum Aufwachen mit einem Becher Milchkaffee an meinem Computer und sehe auf den Fluss. Der Fluss ist heute wieder opaque-grün. Der Himmel ist blau. Rugged Mountain ist dick mit Schnee bedeckt.
    Die Augen noch fast zu, mache ich als erstes den Laptop auf und an und gucke die Neuigkeiten auf Facebook: Joana Almeida ist jetzt mit Jasmin Monteiro, Jorge Monteiro, Nicole Monteiro, Tiago Monteiro, Carlota da Silva, Maria Teresa Candeias Monteiro und drei weiteren Personen befreundet.
    Einträge an der Pinnwand:
    Anna: es tut mir leid, wir dachten wirklich, es wäre so das Beste ... sorry sorry sorry – bjs Anna
    Clara: tut mir leid, tut mir wirklich leid, aber vielleicht musste es so sein, vielleicht bist du mit der Joana schon aus der Vergangenheit verbunden, wer weiß, was dahinter steht, komm nach LA, ich kenne hier eine super Heilerin, die macht mit dir eine Rückführung und du wirst sehen: alles hat seinen Sinn – c u hoffentlich!!! bald - Clara
    Die Prinzessin: ich hätte gerne mehr Geschwister, ich finde so eine große Familie total cool Love Lena
     
    Auf dem Weg zum Cookshack an der Post vorbei. Keine Post. Dann einen Kaffee bei Kathleen. Dann Mut zusammengenommen und auf zu Jeff.
    Ich klingle und Jeff öffnet. Er sieht mich unwillig an, er ist wieder ganz der Jeff vom Anfang, verschlossen und mürrisch.
    „Is was?“, fragt Jeff.
    „Ich würde dir gerne die, äh, also die Schachtel mit den – tja äh – die Schachtel mit den Präsern abkaufen“, sage ich.
    Jeff sieht mich weiter an.
    „Abkaufen?“, sagt Jeff. „Und zu welchem Preis?“
    „Ich weiß nicht, was kosten sie denn?“, frage ich.
    „Wie viel sind sie dir denn wert?“, fragt Jeff.
    „Was haben sie denn gekostet?“, sage ich.
    Was ist das hier? Eine live e-bay-Auktion, oder was. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal am Ende der Welt mit einem Knauser um eine Schachtel Präser schachere. Jeez Louise.
    „Tja“, sagt Jeff. „Bis in die Stadt sind es hundertfünfundfünfzig Kilometer. Ein Weg. Macht hin und zurück dreihundertirgendwas. Das ist viel Sprit. Öl nicht mitgerechnet. Und von der Zeit mal ganz abgesehen.“
    Was soll das denn heißen? Bedeutet das, Jeff will den Einkaufspreis plus den ganzen Spritpreis? Das ist doch total albern. Der kann mich mal.
    „Du kannst mich mal“, sage ich.
    „Na dann“, sagt Jeff und macht mir die Tür vor der Nase zu.
    Hallo die Enten.
    Und jetzt?
    Auf nach Gold River.

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