0202 - Bring mir den Kopf von Asmodina
Kribbeln lief durch ihre Hände, aber noch hielt sie sich zurück.
Dann sprach sie die allgemeinen Worte aus. Abermals rief sie Nostradamus an und verband diesen Namen mit dem des Geisterjägers John Sinclair.
Der Kelch begann sich zu verfärben. Aus dem Gold wurde ein tiefes Rot, so dass er dem Namen Kelch des Feuers gerecht wurde. Seine Farbe wirkte wie die der Flammen, und es musste einfach etwas geschehen.
Plötzlich holte Tanith tief Atem. Ihr Blick verschleierte. Er richtete sich in unendliche Fernen, und im nächsten Augenblick begann sie zu sprechen.
Dabei blickte sie kaum auf das Buch. Die Worte, die dort standen, drangen flüssig über ihre Lippen. Es hatte den Anschein, als wären sie nur für sie geschrieben worden.
Sie sprach leise und sehr deutlich. Jeder konnte das Wort hören, und sie rief die geheimnisvollen Mächte und Kräfte einer anderen Welt damit an.
»… sofern du das große Vertrauen in die Sache des Guten hast…«
Der letzte Satz! Er verklang wie ein leises Echo. Hatte die Beschwörung und Anrufung etwas genutzt?
Ja!
Der Kelch reagierte!
Urplötzlich glühte er auf. Mit ihm die Kugel. Und aus ihr scholl eine glühende Aura, rotsilbern, ein Gesicht erschien und die Gestalt eines Menschen.
Geisterhaft schwebte sie innerhalb des Scheins.
»John Sinclair!« schrie Shao.
»Und er hat das Kreuz!« flüsterte Suko…
***
Ich hatte es wieder!
Mein Kreuz, das mir als dem Sohn des Lichts gehörte. Ich spürte seine Wärme und ein kaum erlebtes Gefühl durchströmte mich.
War es die Hoffnung, die Wahrheit der Offenbarung? Ich wusste es nicht, sondern gab mich völlig unter den Schutz meines Kreuzes, der mich wie ein Mantel umgab.
Die Umgebung veränderte sich. Ich merkte, dass ich herausgerissen wurde, dass Kräfte, die stärker als das Böse waren, eine Insel in diesem höllischen Reich geschaffen hatte, um mich, John Sinclair, zu schützen.
Beinahe verzweifelt umklammerte ich mein Kreuz. Ich spürte überhaupt nicht mehr, dass ich einen Körper besaß, sondern war eingekesselt in eine Lichtaura, die über mir in einer unendlichen Farbe verlief.
Und dann hörte ich Stimmen.
Leicht und singend. Ja, es war Gesang, der meine Ohren traf und ein melodisches Echo hinterließ. Ich riss die Augen weit auf, wollte auch etwas sagen, meine Stimme versagte. Ich war gefangen in einem magischen Bann, und das Kreuz wurde durch eine geheimnisvolle Kraft aktiviert.
Plötzlich sah ich ein Bild. Erst hielt ich es für eine Täuschung, weil es mir zu wenig real erschien. Denn der Kelch des Feuers stand vor meinen Augen. Er glühte in einer Pracht, wie ich sie nur einmal erlebt hatte, als ich gegen die Teufelsmönche kämpfte, und in ihm befand sich eine geheimnisvolle Kugel. Ich sah auch Gesichter, die den Kelch des Feuers umgaben, allerdings konnte ich nicht erkennen, zu wem sie gehörten, weil sie zu sehr im Schatten lagen und nur der Kelch die Lichtquelle darstellte.
Auch die Kugel strahlte. Ihr Licht schien mir sogar noch intensiver zu sein. Dieses Licht, aus Wellen geboren, erreichte mein Gehirn, und aus den Wellen formten sich Gedanken.
Für einen Moment war ich überrascht, Eine Leere überfiel mich, dann jedoch konnte ich die Gedanken verstehen.
Sie sprachen mich direkt an.
Du bist John Sinclair, der Sohn des Lichts. Du hast dich in die Hölle gewagt, um dem Bösen zu trotzen. Du hast Mut besessen, ungeheuren Mut, und deshalb werden wir dich nicht im Stich lassen, obwohl du es nicht schaffen wirst und kannst, die Hölle zu besiegen. Sie ist zu mächtig. Als der Erzengel Michael den aufsässigen Luzifer in die Tiefen der Finsternis verdammte, begann das große Drama. Die Hölle entstand, und sie wird weiterleben bis in alle Ewigkeiten. Damit musst du rechnen, daran musst du dich gewöhnen. Du kannst keinen Sieg erringen, sondern höchstens Teilerfolge…
Diese Stimme nahm mir jeglichen Mut. »Wer bist du?« schrie ich in Gedanken. »Bist du der Seher? Sag mir deinen Namen. Ich bitte dich darum.«
»Nein, ich bin nicht der Seher. Der… Seher ist zu fern, aber ich bin derjenige, dem der Seher die Kraft gegeben hat, in die Zukunft schauen zu können. Mein Name ist Nostradamus.«
Das war eine Überraschung. Im nächsten Moment wurde sie noch größer, denn Nostradamus zeigte sich mir.
Hoch über mir sah ich sein Gesicht. Es war der Geist des Mannes, der im sechzehnten Jahrhundert gelebt und der so große und folgenschwere Prophezeiungen gewagt hatte. Er, der einen Teil der Zukunft
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