0206 - Das Vampirnest
konnte sie nicht wissen.
Mit einem gewaltigen Satz erreichte der Mann die Tür. Er warf sich dagegen, hämmerte sie auf, und die Frau kam nicht schnell genug weg.
Sie wurde von dem Mann und dem Türblatt getroffen. Beide wurden sie in das Zimmer hineinkatapultiert.
Der Chinese befand sich zu weit entfernt. Er konnte das Drama nicht verhindern. Als er endlich die Tür erreichte, da hatte sich der andere schon zurückgezogen.
Er stand am Ende des schmalen Flurs, die Frau hielt er umklammert.
Sein linker Arm umschlang ihren Hals, der rechte war angewinkelt In der Hand hielt der Kerl einen schweren Revolver, dessen kalte Mündung er gegen die Schläfe der Frau drückte.
Suko kannte Situationen wie diese. Da war man machtlos.
Der andere hielt sämtliche Trümpfe in der Hand. Und er sah so aus, als würde er sie sich auch nicht leicht abnehmen lassen.
Die Frau, etwa vierzig, wagte nicht, sich zu rühren. Ihre Augen waren weit aufgerissen, der Mund stand ebenfalls offen, und die Lippen zitterten. Sie war im Griff des Mannes erstarrt.
Der Kerl sah wirklich aus wie ein Mafioso. So wie man ihn aus Filmen kannte. Dichtes, schwarzes Haar, ein hartes Gesicht mit Furchen zwischen Nase und Mundwinkeln und ein Mund, der nur einen Strich bildete. In seinen dunklen Augen las Suko die Bereitschaft, alles auf eine Karte zu setzen.
Er würde durchdrehen und töten, wenn ihm irgend etwas gegen den Strich lief. Der Mann stand unter Strom, war nicht mehr kalt genug, und das war das Gefährliche an ihm.
Im Flur hing die Garderobe an der rechten Seite. Drei Mäntel und eine Jacke zählte Suko. Zwei Mäntel gehörten einem Mann. Der Chinese hoffte nur, daß er nicht in der Wohnung war. Im Wohnraum, der am Ende der Diele begann, konnte er ihn jedenfalls nicht entdecken. Dafür sah Suko den Schatten eines Fernsehers.
Suko mußte jetzt die Ruhe bewahren, so schwer es ihm auch fiel. Er durfte dem anderen keine Gelegenheit geben, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Bis jetzt hatte niemand ein Wort gesprochen. Nun aber redete der Chinese.
»Okay, Partner, du hast gewonnen!«
Der andere sagte nichts. Er atmete noch schneller und hastiger als die Frau. »Schmeiß deine Kanone weg!«
»Sicher.« Suko nickte. Er ließ die Beretta fallen. Mit einem dumpfen Laut schlug sie zu Boden.
Da lachte der Verbrecher.
Suko aber sagte: »Noch hast du gewonnen und sieh auch zu, daß es so bleibt.«
»Laß die Frau gehen!«
Ein irrer, kieksender Laut drang aus der Kehle des Mannes. »Wie kommst du darauf?«
»Du hast kaum etwas auf dem Kerbholz, Partner. Die kleine Autofahrt können wir vergessen. Vielleicht drücke ich auch hier ein Auge zu und vergesse die Geiselnahme. Allerdings nur, wenn du vernünftig bist.«
»Du redest wie ein Bulle!«
»Ich bin auch einer.«
Da zuckte der andere zusammen, als hätte er einen Stromstoß bekommen. »Ein Bulle!« hechelte er. »Du bist wirklich ein mieser, stinkender Bulle?«
»Ja.«
»Das freut mich, das freut mich sogar sehr.« Seine Augen nahmen einen anderen, fanatischen Glanz an, den Suko sehr wohl registrierte und sich eingestand, daß er wohl einen Fehler mit seiner Aufklärung gemacht hatte. »Weißt du eigentlich, daß ich Bullen besonders liebe? Die verspeise ich vor dem Frühstück. Zwei von deinen Kumpanen habe ich schon zur Hölle geschickt. Hörst du? Ich habe bereits zwei miese Bullen auf dem Gewissen!«
Suko atmete tief ein. Er hatte doch einen Fehler gemacht. Er hätte seinen Beruf nicht nennen dürfen.
»Zwei Bullen sind kaputt. Und du wirst der dritte sein, Chinese. Das kannst du mir glauben.«
»Diesmal kriegt man dich!«
»Nein, nie, denn ich bin besser. Viel besser, als du denkst. Sechs Kugeln sind in der Trommel. Eine ist für sie hier, die anderen fünf jage ich dir in den Schädel, Chinese.« Er grinste böse. Sein Gesicht glich dabei einer teuflischen Maske.
Da begann die Frau zu schluchzen. Bisher hatte sie sich halten können, nun aber konnte sie nicht mehr. Sie schluckte ihr Mund bewegte sich, sie wollte etwas sagen, doch sie brachte einfach kein Wort hervor. Nur dieses Schluchzen, das die Stille durchschnitt und an den Nerven des Gangsters zerrte.
»Hör auf, du Schlampe!« brüllte er die Frau an. »Hör ja auf, sonst…«
Das andere ließ er unausgesprochen, aber sein Gesicht verzerrte sich noch mehr.
Plötzlich geschah das, was Suko längst befürchtet hatte. Von der Diele zweigte nicht nur die Wohnzimmertür ab, sondern auch eine andere. Die zum Bad.
Sie wurde
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