021 - Aufbruch in die 'Neue Welt'
Kapitaan Colomb, dein Herr… Die Worte des Südländers hallten in Matts Kopf wieder. Ein Anflug von Zorn und Bitterkeit schob die Wolkenbank unter seiner Schädeldecke ein Stück beiseite. Kapitaan Colomb, dein Herr…
Die gelben Raubvogellichter lösten sich endlich von Matts Augen und wanderten über seine Stirn, sein Haar, seine Schultern und Brust bis hinunter zu seinen Beinen. »Sag mir deinen Namen«, verlangte er.
»Commander Matthew Drax.«
»Man nennt ihn Maddrax«, erklärte Tuman. Der Mann im roten Umhang beachtete den Südländer nicht. »Commander? Was ist ein das - ein Commander?«
»Ein militärischer Rang der US Air Force. Ich bin dort Kampfpilot…« Matt antwortete, ohne vorher über seine Worte nachzudenken. Sie purzelten einfach auf seine Zunge. »Ich war Kampfpilot.«
Kapitaan Colomb trat noch einen Schritt näher. Eine Falte grub sich zwischen seinen Brauen ein. Sein glatter Kinnbart erinnerte Matt an einen Ziegenbock. »Was ist ein Pilot?«
Jetzt stutzte Matt. Und dachte nach. Wie Fäden alter Kaugummis klebten die Gedanken in seinen Hirnwindungen und wollten sich nicht in vernünftige Worte fügen. »So was… so was wie ein Kapitän…«, stammelte er. »Ein Kapitän eines Fliegers…«
Die Augen im Raubvogelgesicht wurden schmal. Der Mann namens Colomb neigte den Kopf zur Seite. »Woher kommst du?«
»US-Luftwaffenbasis Berlin Köpenick…«
»Wenn Ihr mich fragt, ehrenwerter Kapitaan, dann haben wir uns von dieser kastrierten Qualle einen Wahnsinnigen andrehen lassen«, sagte einer der Seeleute hinter Matt.
»Schweig, Seemann!«, herrschte Colomb ihn an. »Ich frage dich nicht!« Wieder fixierte er Matts Augen. »Deine Pupillen sind groß, dein Blick ist trübe - hat man dir eine Droge gegeben?« Matt nickte.
»Soll ich ihn zurück zum Sklavenmarkt bringen?« Tumans Stimme klang zögerlich, fast kleinlaut.
»Nein.« Die gelben Augen ließen Matt wieder los und richteten sich auf den Südländer.
»Sie hätten ihm keine Drogen geben müssen, wenn er nur ein willenloser Hohlkopf wäre.« Matt senkte den Kopf. Unter ihm lag das Buch in den großen langgliedrigen Händen des seltsamen Mannes. Er hielt es wie ein Kind einen jungen Vogel, der aus dem Nest gefallen war. Lederschnüre hingen von dem ledernen Einband herab. Dus Buch sah mehr als mitgenommen aus: Vergilbt, angesengt, zerfleddert; die teilweise wellenförmigen, ausgefransten Seitenränder reichten an manchen Stellen bis in den Text hinein.
Sie können keine Bücher drucken… Mühsam und zäh formte sich der Gedanke in seinem Kopf. Es muss ein altes Buch sein… ein Buch aus der Zeit vor dem Kometen…
»Emroc empfahl uns ihn zu fesseln, bis wir auslaufen.«
»Dann fesselt ihn an eine Eisenkugel. Und sperrt ihn nachts in einen der Kerker unten in den Sklavenräumen. Tagsüber bringt ihn aufs Schiff und weist ihm seine Arbeit zu.«
Der Wortwechsel der Männer drang kaum in Matts Bewusstsein. Mit gesenktem Kopf stand er da und betrachtete das eigenartige Buch in den Händen des Schiffsbesitzers. Er kniff die Lider zusammen, weil die Buchstaben auf dem vergilbten Papier vor seinen Augen ver- schwammen. Solange bis er einzelne Worte unterscheiden konnte.
Ein englischer Text. An einem Wort blieb sein Blick hängen. Ein Wort, das er oft gelesen hatte in seinem ersten Leben. America…
Das Raubvogelgesicht schlug das Buch zu.
»Raspun soll sich seiner annehmen.« Der Mann schlang die Lederriemen um den Einband, wandte sich ab und schritt zu einer Kommode zwischen zwei der Fenster. Eine schwarze, mit weißem Ornament verzierte Truhe stand dort.
»Schafft ihn in den Kerker und legt ihm Kette und Kugel an.«
Matt beobachtete, wie der Mann namens Colomb das Buch in die Truhe legte und sie abschloss. »Ich schicke Raspun morgen auf die Santanna.« Er drehte sich um. Noch einmal musterte er Matt. »Wenn du wieder nüchtern bist, werde ich mich weiter mit dir unterhalten.«
Von zwei Seiten griffen Hände nach Matts Armen. Sie zogen ihn zur Tür und schoben ihn aus dem Raum. Tuman ging wieder voran. Schwere Schritte auf der Treppe kamen ihnen entgegen. Ein muskulöser blonder Mann mit Stoppelhaar und hellblauen Augen. »Bringen wirs hinter uns«, sagte er zu dem Südländer.
»Jochim, unser neuer Steuermann«, stellte Tuman den Blonden seinen Matrosen vor.
»Bringt den Sklaven aufs Schiff.« Zusammen mit dem Muskelmann ging Tuman zurück zu Colombs Arbeitszimmer.
Die Seeleute führten den ehemaligen Kampfpiloten der US
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