0211 - Das Geistergrab
du mal wieder durch?«
»Wieso?«
»Dumme Frage.«
Hoven lachte. »Reg dich nicht auf. In zwei Tagen ist die Scheiße vorbei, dann kann mir die Grenze für drei Wochen gestohlen bleiben. Urlaub, mein Lieber. Weißt du, was das heißt?«
»Ja, für dich Langeweile.«
»Von wegen. Da wird der Bär losgemacht. Schließlich haben wir schon Frühling.«
»Hau doch nicht so auf den Putz.« Franke grinste. »Du erzählst immer die tollsten Dinge, und keiner von uns kann sie kontrollieren.«
»Dann kommt doch mal nach Magdeburg.«
»Wann denn? Wenn du Urlaub hast, hocken wir in dieser dämlichen Bude oder schleichen an der Grenze entlang.«
Hoven grinste breit. »Du hast aber keine gute Meinung von unserem Staat.«
»Wer hat die schon, wenn man hier hängt.«
Danach schwieg Franke. Diese Wachbude ging allen Soldaten auf den Wecker. Der Raum war klein. Es gab einen Schreibtisch, unbequeme Stühle, vier grüne Eisenspinde, ein Regal mit Akten und einen alten Elektro-Heizer, der im Winter eingeschaltet wurde. Bis auf ein Plakat mit dem Bild des Staatspräsidenten waren die grün getünchten Wände kahl. Nicht einmal ein bunter Kalender brachte ein wenig Farbe in die triste Umgebung. Nein, hier konnte man schwermütig werden.
Mit vier Mann war die Bude normalerweise besetzt. Franke und Hoven warteten auf ihre Kameraden, die Streife fuhren. Wenn sie zurückgekehrt waren, mußten die beiden Unteroffiziere los. Ein ewiges Wechselspiel. Tag und Nacht. Seit einer Woche schoben sie Nachtschicht. Noch eine Nacht, dann war es vorbei, die Ablösung traf ein.
»Ich könnte auch nach Polen fahren«, murmelte Dieter Hoven. »In Warschau ist was los. Und die Weiber sollen da besonders willig sein.« Er drehte sich um. »Was meinst du, Franke?«
»Willst du dir in Polen dein Essen von den Feldern klauen?« fragte er im sächsischen Dialekt.
»Du hast auch immer was zu nörgeln.«
»Nein, ich sehe die Sache richtig. In Polen kriegst du doch nichts. Oder hast du Westgeld?«
»Du denn?«
»Nein.«
»Na bitte.«
»Ich will auch nicht nach Polen.« Franke grinste.
Dieter Hoven stand auf. »Du bist mal wieder der einzige, der durchblickt, das merke ich schon.« Vor dem Fenster blieb er stehen und schaute nach draußen, wo ein hoher Scheinwerfer seinen breiten Lichtkreis vor den Eingang warf. I Dort stand auch ein Wagen. Eine Plane deckte ihn ab. Es war das Ersatzfahrzeüg.
Drei Jahre machte Hoven Dienst an der Grenze. Strafdienst, denn er hatte ein paarmal über den Zapfen gehauen und war von seiner Garnison aus Magdeburg an die Grenze versetzt worden. Es oblag der Gnade seiner Vorgesetzten, wann er hier wegkam.
Bisher hatte Hoven diese noch nicht gefunden. Sein Mundwerk war einfach zu groß.
Wenn er aus dem Fenster blickte, schaute er nach Westen. Dort lag der andere Teil Deutschlands. Genug darüber erfuhr man durch Westsender. Hoven hatte schon manches Mal mit dem Gedanken gespielt, zu fliehen, das Risiko war ihm einfach zu groß gewesen. Zudem wußte er nicht genau, wo überall die Minen versteckt lagen. Das sagte man ihnen bewußt nicht, denn die Offiziere kannten ihre Pappenheimer.
Dieter Hoven trug eine Brille. Sie war etwas verrutscht. Er schob sie wieder hoch, strich durch sein dunkles Haar und drehte sich zu Stefan Franke um.
»Sehnsucht?« fragte dieser.
»Wonach?«
»Ich meine nur.«
»Hör auf zu quatschen«, erwiderte Hoven. »Du bist der große Macker, der alles besser weiß. Du hast auch das blaue Licht der komischen Ufos gesehen und...«
»Habe ich auch.«
»Ja, ja, und wo ist es jetzt?«
»Weiß ich doch nicht.« Franke hob die Schultern. Im Gegensatz zu Dieter Hoven war sein Haar blond. Er überragte Hoven auch um eine halbe Kopflänge, und um seinen Mund lag zumeist wie eingefroren ein Grinsen, das seine Vorgesetzten schon des öfteren auf die Palme gebracht hatte.
Hoven holte Zigaretten aus der Schachtel. Es waren Westdeutsche. Mit Mentholgeschmack, andere hatte ihm der Kollege von der anderen Seite nicht zukommen lassen.
»Willst du eine?« fragte er seinen Kameraden.
»Dann kann ich ja gleich Pfefferminz kauen.«
»Rauch doch dein Stroh weiter.« Hoven zündete sich ein Stäbchen an. Kaum hatte er den ersten Zug genommen, als Motorengeräusch erklang.
Ein Jeep kam. Es war die Ablösung. Jetzt mußten sie raus. Bei diesem kühlen Wetter kein Vergnügen. Franke verschwand nach nebenan, wo die Waffen lagerten und auch der Arrestraum war J Er holte zwei Maschinenpistolen und brachte die Jacken
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