0211 - Das Geistergrab
hast wohl zu viele Filme im Westfernsehen gesehen«, unterbrach Stefan Franke ihn.
»Quatsch.« Hoven schluckte. »Dann nenne du mir einen anderen Grund für dieses Licht.«
»Kann ich nicht.«
»Na bitte.« Hoven klopfte gegen den Lauf der MPi. »Deshalb will ich mir das Grab auch näher ansehen.«
»Ich weiß nicht...» Bei Stefan Franke verstärkte sich das ungute Gefühl. Es wurde mittlerweile zur Angst. Ja, er hatte Angst, diesen Friedhof genauer unter die Lupe zu nehmen, denn vor alten Begräbnisstätten hatte er sich schon immer gefürchtet. Und nun schien dieser Friedhof noch im Mittelpunkt eines rätselhaften und unerklärlichen Ereignisses zu stehen, für das er überhaupt kein Motiv fand. Nein, das alles gefiel ihm immer weniger.
»Ist ja schon interessant«, murmelte Hoven. »Licht, das aus einem Grab steigt. Nicht schlecht, wirklich. Komm, Franke, wir gehen los.«
Ohne eine Antwort seines Kameraden abzuwarten, setzte sich Hoven in Bewegung. Er wühlte sich durch die hohen Gräser, schob Sträucher und Büsche zur Seite und schaffte es, seinen Kameraden Franke hinter sich zu lassen und den Rand des Friedhofs zu erreichen, wo die ersten Grabkreuze aus dem Boden wuchsen.
Überrascht blieb Hoven stehen. Er wollte es nicht glauben, was er da mit eigenen Augen sah, aber vor seinen Füßen zogen unzählige Spinnen in einer langen Bahn dahin…
***
Schüsse!
Ich glaubte, die Einschläge in meinem Körper zu spüren, rechnete damit, von den harten Stößen durchgeschüttelt zu werden, um wenig später im Schacht des Todes zu versinken.
Das geschah nicht.
Ich spürte überhaupt keine Schmerzen und auch keine Einschläge. Dafür hörte ich eine Stimme.
»John, krieg dich wieder ein.«
Suko hatte gesprochen!
Himmel, wo steckte er? Ich hob den Kopf, schaute gleichzeitig in die Runde und mußte wohl dumm aus der Wäsche geguckt haben, denn der Chinese begann zu lachen.
»Ich bin es tatsächlich, John, und nicht mein Geist.«
»Ja, das sehe ich.«
Meine Antwort war nicht einmal gelogen, denn Suko hockte über mir auf dem Dach. Und er hatte durch das Loch gefeuert, an mir vorbeigezielt und den ehemaligen CIA-Agenten getroffen. So hoffte ich jedenfalls.
Meine Annahme bekam ich auch bestätigt, als ich mich herumdrehte. Da lag er und mit ihm die Spinnen. Ein paar von ihnen waren vergangen, weil Silberkugeln sie zerfetzt hatten. Andere krabbelten aufgeregt über- und untereinander. Wir hörten das Schaben und Knistern, und im Strahl meiner Lampe sah ich auch, daß von einigen Stellen am Boden lange, dünne, zittrige Rauchfäden der Decke entgegenstiegen, wo sie sich sammelten und ausbreiteten.
»John, die Spinnen.« Suko hatte mich gewarnt, denn da gab es noch einen zweiten Spinnenhügel. Er geriet in Bewegung, wurde flacher, und die hellen, kleinen Tiere verteilten sich.
Ich ging zur Seite, damit ich von ihnen nicht berührt wurde. Dafür schaute ich mir den ehemaligen CIA-Agenten an. Zwei Kugeln hatten ihn getroffen. Deutlich erkannte ich die Einschußlöcher. Da war auch kein Blut, das aus den Wunden rann, und in seinem Gesicht war ein Teil der Haut weggeplatzt. Graue Knochen schimmerten durch, die im Laufe der vergehenden Zeit einen dunkleren Farbton annahmen und dann zerbröselten.
Boysen gab es nicht mehr. Die Leichenstadt hatte ihn entlassen, doch als Monster hatte er nicht überleben können.
Ich ging nach draußen. Dort rannten Will Mallmann und Don Frazer auf mich zu. Suko sprang vom Dach.
Frazer hielt seine Schußwaffe in der linken Hand. »Was ist geschehen? Weshalb die Schüsse?«
»Ich mußte Boysen töten«, erklärte Suko.
»Wie?«
Aus der Stimme des zweiten CIA-Agenten klangen Aggression und Spannung mit.
Der Chinese deutete auf den Eingang. »Sehen Sie selbst nach, Mr. Frazer!«
Der Amerikaner warf Will und mir noch zweifelnde Blicke zu. Ich nickte. »Gehen Sie schon, aber bleiben Sie dicht an der Tür und seien Sie vorsichtig!«
»Gut.«
Bei einem anderen hätte ich vielleicht nicht so gehandelt, doch der CIA-Mann war ein harter Typ, und er sollte auch sehen, daß wir hier nicht scherzten und daß es Dinge gab, die so einfach nicht zu verkraften waren.
»Was war denn los?« flüsterte der Kommissar.
Ich berichtete in Stichworten.
»Mein Gott«, hauchte Will. »Kann das denn wahr sein?«
»Leider.«
»Und jetzt? Wie werden wir der Spinnen Herr? Wo kommen sie überhaupt her?«
»Das erzähle ich dir später. Doch eins ist sicher: wir müssen uns auf einiges gefaßt
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