0213 - Colette und ihr Fallbeil
auf die Uhr warf, da konnten wir zufrieden sein. Es war gerade Mittag, ich verspürte auch Hunger, und sicherlich konnte uns Bill bei einem Essen mehr erzählen. Das Elsaß ist ja berühmt für eine ausgezeichnete Küche.
Wir rollten in das Dorf.
Es war eine kleine Idylle. Verkehrstechnisch allerdings eine reine Qual.
Enge Straßen, sehr verwinkelt, Kurven, die nur im Schrittempo durchfahren werden konnten, Häuser mit Vergangenheit und ein paar Geschäfte, die mich noch an die Krämerläden aus dem vorigen und den Anfängen dieses Jahrhunderts erinnerten.
Katzen und Hunde liefen über die Straße. Kinder spielten, und alles wirkte sehr harmlos.
Über Kopfsteinpflaster rumpelten die Reifen. Manchmal mußte ich auch Schlaglöchern ausweichen, und als wir das Ende des Dorfes erreicht hatten, da mußten wir umkehren, denn das Haus mit den 100 Köpfen hatten wir nicht entdeckt.
Beim zweiten Anlauf machten wir es besser und fragten danach. Wir bekamen auch eine Antwort und fanden unser Ziel.
Vor dem Haus parkten ein großer Mercedes, ein Lieferwagen und ein Renault 4. Ein Mann stand vor der Tür, hielt einen Reisigbesen in der Hand und fegte den Schmutz von den Steinen. Als er uns sah, hielt er inne und schaute uns entgegen.
Neben dem R 4 ließ ich den BMW ausrollen, schaltete den Motor ab und öffnete den Wagenschlag. Schon bei der Ankunft hatte ich das Haus genauer sehen können, die 100 Köpfe allerdings, die entdeckte ich nicht.
Sie befanden sich bestimmt an der Rückseite des Gebäudes.
Unser Gepäck holten wir vom Rücksitz und gingen auf den Mann mit dem Besen zu.
»Bonjour, Messieurs«, grüßte er. »Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Unser Freund, ein Monsieur Conolly, hat Zimmer für uns bestellt, wie er mir sagte.«
Der Mann lachte, und sein Gesicht verzog sich in die Breite. »Das stimmt genau. Ich freue mich, daß Sie gekommen sind.« Er reichte uns die Hand. »Ich heiße Meier.« Und als ein blondes Mädchen das Haus verließ, wobei es hinter ihm stehenblieb und ihn ansprach, stellte uns der Mann sie als seine Tochter Colette vor. »Aus erster Ehe«, fügte er hinzu.
Wir begrüßten auch sie.
Ich war überrascht von der Anmut der Kleinen. Colette hatte blondes Haar, trug ein rotes Kleid und hatte eine weiße Perlenkette um den schlanken Hals.
»Das sind Freunde von Monsieur Conolly«, erklärte ihr Vater.
»Ach ja?« Interesse blitzte in ihren Augen. Der Blick des Mädchens streifte einmal Suko, dann mich. Schließlich reichte uns Colette die schmale Hand. »Herzlich willkommen bei uns.«
»Danke sehr«, erwiderte ich. »Wenn ich jetzt Monsieur Conolly sprechen könnte.«
»Ich habe ihn heute noch nicht gesehen.«
»Wie?« platzte Suko hervor.
»Nein, er…er schläft wohl noch.« Zu dieser Antwort nickte der Wirt bestätigend.
Suko und ich wechselten einen Blick. Das gab es doch nicht. Ich kannte meinen Freund Bill länger als Suko, und wir hatten früher so manchen Hund von der Leine gelassen, aber daß Bill so lange im Bett lag, das wollte mir nicht in den Kopf.
»Kann er denn weggegangen sein?« erkundigte ich mich.
»Dann hätten wir ihn gesehen«, antwortete das Mädchen.
Das Gefühl, das sich in mir ausbreitete, konnte man mit dem Wort unangenehm umschreiben, aber ich wollte nicht schon vorher die Pferde scheu machen und fragte: »Kann ich mit Monsieur Conolly sprechen?«
»Natürlich«, sagte der Wirt und lachte. »Wecken Sie ihn nur. Er hat das gute Frühstück verpaßt. Wenn Sie hungrig sind, können Sie direkt zu Mittag essen.«
»Bestimmt.«
Der Wirt gab den Weg frei, und wir konnten das Hotel oder Gasthaus betreten. Auch uns stach die gediegene Einrichtung ins Auge. Die Atmosphäre war freundlich und fiel uns deshalb auf, da wir eher das Gegenteil erwartet hatten. Schließlich war es ein Haus, dessen Wand 100 Köpfe zieren sollten.
»Gefällt es Ihnen?« fragte Colette. Sie war uns gefolgt, ihr Vater kehrte draußen weiter.
»Ja, sehr.«
»Wenn Sie sich eingetragen haben, zeige ich Ihnen Ihre Zimmer.« Sie verschwand hinter der Rezeption und schob uns einen Anmeldeblock zu.
Suko und ich trugen unsere Namen ein. Colette schaute uns dabei zu.
Ein feines Lächeln lag auf ihren vollen Lippen. Dieses Mädchen sah so aus, wie sich ein Vater gern seine Schwiegertochter vorstellt.
Über eine Holztreppe ging es nach oben. Der Gang war nicht sehr breit.
Ein roter Teppich lag in der Mitte, die Türen zu den Zimmern waren grünbraun gebeizt.
Colette ging vor. Wir
Weitere Kostenlose Bücher