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0214 - Sie speisten uns mit Dynamit

0214 - Sie speisten uns mit Dynamit

Titel: 0214 - Sie speisten uns mit Dynamit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sie speisten uns mit Dynamit
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alle drei unbeschriebene Blätter.«
    »Wann ist die Verhandlung vor dem Haftrichter?« erkundigte ich mich.
    »Vor dem Municipal Court des ersten Distrikts in Read Street. Um zehn Uhr morgen früh.«
    »Wir werden uns die Sache einmal anhören. Phil und ich werden dort sein. Welcher Richter amtiert dort morgen?«
    »Richter Jones.«
    »Was ist das für ein Mann?«
    »Ich kenne ihn nicht. Er ist neu. Die Anklage vertritt Staatsanwalt Kearny.«
    »Hat der Mann einen Verteidiger?«
    »Noch nicht. Er ist ein armes Luder und kann das Geld dafür nicht aufbringen, aber ich denke, daß die Vereinigung zur Wahrung der Rechte der Farbigen ihm einen Anwalt stellen wird.«
    Zehn Minuten später überfiel mich Louis Thrillbroker mit derselben Neuigkeit.
    »Ich werde auf jeden Fall da sein, und wehe, wenn die geringste Unregelmäßigkeit vorkommt«, drohte er.
    ***
    Am anderen Morgen um zehn waren wir pünktlich im Gerichtssaal.
    Richter Jones war ein noch verhältnismäßig junger Mann und schien sehr von sich eingenommen zu sein. Staatsanwalt Kearny kannten wir. Er war das, was man einen »scharfen Hund« nennt. Der Angeklagte wurde hereingeführt und von seinem Verteidiger, den ich ebenfalls nicht kannte, begrüßt. Dann wurden ihm die Handfesseln abgenommen, und er sank wie jemand, der überhaupt nicht weiß, was mit ihm geschieht, auf die Anklagebank nieder.
    Es folgte zuerst das genügsam bekannte Frage- und Antwortspiel zwischen dem Clerk des Gerichts, dem Staatsanwalt und dem Verteidiger. Erst in diesem Augenblick konnte ich dem Beschuldigten ins Gesicht sehen, und ich muß sagen, ich erschrak. Ich kannte den Mann.
    Es war einer von zwei Betrunkenen, die uns an jenem Mordabend begegnet waren, kurz bevor wir das ermordete Mädchen fanden. Der Neger hatte in betrunkenem Zustand auf der Straße gehockt und zu uns etwas gelallt von einem betrunkenen Mädchen, das wie eine Ratte schlafe. Wahrscheinlich hatte er damit die ermordete Betty Smock gemeint, die er in seinem berauschten Zustand für betrunken gehalten hatte.
    Jetzt rollte die Verhandlung an. Die Cops des Streifenwagens, der Polizeiarzt und Leutnant Crosswing und seine Leute machten ihre Aussagen.
    Der Anwalt gab sich Mühe, aber er konnte nichts herausfinden, was zu Gunsten seines Mandanten gesprochen hätte. Dann kam der Wirt der Kneipe an die Reihe, der nur bezeugen konnte, daß Willis mit drei ihm unbekannten Männern getrunken habe und daß plötzlich Streit entstanden sei, im Verlauf dessen die drei behauptet hatten, der »Nigger«, wie sie sich ausdrückten, habe mit dem Mord renommiert.
    Der Anwalt protestierte, weil der Wirt etwas sagte, das er nur vom Hörensagen wußte, und diesem Protest wurde stattgegeben. Dann marschierten die drei Belastungszeugen auf.
    Sie wurden auf die übliche, formlose Art vereidigt und erzählten jeder dieselbe Geschichte. Sie hatten Willis vorher überhaupt nicht gekannt und nur zufällig mit ihm zusammen am selben Tisch gesessen. Dabei habe er dann im betrunkenen Zustand gesagt, er habe vor ein paar Wochen in dem bewußten Hausflur ein Mädchen kaltgemacht.
    »Wie kam es, daß Sie sich gerade zu einem Farbigen setzten?« fragte der Verteidiger.
    »Es war kein anderer Platz frei«, erwiderte der erste der drei Zeugen. »Und übrigens war das ganze Lokal voller Neger. Wir hatten keine Wahl.«
    »Sind Ihnen denn Ihre schwarzen Mitbürger so sympathisch, daß Sie eines ihrer Lokale auf suchten?«
    »Nein, aber wir hatten Durst, und wo soll man denn in Harlem hingehen?«
    »Aber Sie haben doch auch mit ihm getrunken und sogar teilweise für ihn bezahlt. Das widerspricht doch dem, was Sie eben gesagt haben.«
    »Durchaus nicht. Wir waren gut gelaunt und wollten etwas für ihn tun.«
    »Bedeutet der Ausdruck ,gut gelaunt', daß Sie ebenfalls angetrunken waren?«
    »Durchaus nicht. Wir hatten eben gute Laune.«
    »Und nur dieser guten Laune wegen sorgten Sie dafür, daß der Mann betrunken wurde?«
    »Er war das schon, bevor wir hereinkamen.«
    »Danke«, sagte der Verteidiger, und dann wiederholte sich dasselbe Spiel mit den beiden anderen Zeugen.
    Ihre Antworten glichen sich so sehr, daß ich mich des Gedankens nicht erwehren konnte, sie seien eingelernt. Der Richter setzte dem Beschuldigten zu, er solle sich äußern, aber der beteuerte immer wieder, er habe von dem Mord an der Smock nur vom Hörensagen gewußt, und er sei an dem Tag, an dem er mit den drei Zeugen zechte, keinesfalls so betrunken gewesen, daß er nicht mehr wisse,

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