0215 - Das Ölmonster
und dachte an meinen Einsatzkoffer. Sollte ich ihn mitnehmen?
Nein, wenn Not am Mann war, konnten wir das Schwert oder den Bumerang noch immer holen.
Ein Windstoß fuhr in den Park. Auf dem Dach wehte eine Fahne. Wir sahen sie nicht, hörten sie nur knattern.
Suko erwartete mich vor der zweiflügeligen, verschlossenen Tür. Sie besaß ein Guckloch. Darunter fand ich auch den Klingelknopf. Ich vergrub ihn unter meinem Daumen.
Hier draußen hörten wir nichts, jedoch wurde die Klappe zurückgeschoben, und dahinter erschien ein bärtiges Gesicht, in dem deutlich die Angst zu lesen stand.
»Scotland Yard«, sagte ich und zeigte meinen Ausweis.
Der Mann nickte. Die Klappe wurde wieder geschlossen, dann öffnete er die Tür.
Schnell schlüpften wir durch den Spalt, standen in einer hallenartigen Diele und sahen den Toten.
Verkrümmt lag er auf einem mit orientalischen Motiven versehenen Teppich, und neben seiner rechten Hand schimmerte der Stahl einer flachen Maschinenpistole.
Nicht die Leiche an sich versetzte uns den großen Schock, sondern ihr Anblick. Der Tote sah grauenhaft aus.
Er war mit einer grauen, getrockneten Schicht überdeckt, und wir waren nicht in der Lage, die Kleidung oder auch nur einen Teil seiner Haut zu erkennen. Als Suko auf ihn zuging, sich bückte und die Leiche auf den Rücken drehte, da entdeckten wir, daß er auch kein Gesicht mehr hatte.
Die graue, an manchen Stellen bläulich schimmernde Schicht verdeckte auch dies.
Suko stand wieder auf.
Gemeinsam wandten wir uns an den Mann, der dicht vor der Tür wartete. Er trug einen grauen Anzug westlichen Schnitts, allerdings eine arabische Kopfbedeckung wie sie auch die Beduinen tragen. Das die Hitze abhaltende Tuch hing bis auf seine Schultern. Der dunkle Bart zog sich um den Mund herum und bedeckte auch das Kinn. So wie der Mann dastand, machte er auf uns einen hilflosen Eindruck.
»Wie ist es geschehen?« wollte ich wissen.
»Sie…sie kamen sehr plötzlich«, gab er flüsternd zur Antwort. »Wir konnten nichts machen. Auf einmal drangen sie in die Botschaft ein. Furchtbar.«
»Wie viele sind es?«
»Vier.«
»Und wie sehen sie aus?« wollte Suko wissen.
»Wie Schlammonster. Oder Ölmonster. Ja, sie schimmern bläulich, und wo sie hergehen, hinterlassen sie glitschige Spuren. Einer der Leibwächter stellte sich ihnen in den Weg. Er hat auch geschossen, aber es nützte nichts. Sie waren nicht zu töten.«
»Ist dieser Tote das bisher einzige Opfer?« fragte ich.
»Ja.«
»Was ist mit den anderen Botschaftsangehörigen?«
»Sie befinden sich alle oben im Fernsprechraum. Dort haben sie sich verbarrikadiert.«
»Es ist also keiner durch ein Fenster geflohen?«
»Soviel ich weiß, nicht.«
Suko und ich schauten uns an. Beide hatten wir den gleichen Gedanken.
»Auf nach oben«, sagte der Chinese.
Ich wandte mich wieder an den Mann von der Botschaft. »Die Menschen sind wirklich in einem Raum zusammen?«
»Ja, aber er ist sehr groß und besitzt mehrere Eingänge.«
»Nur von einem Flur her?«
»Nein, man kann auch durch andere Zimmer zu ihm hinein. Wir haben da umgebaut, weil die Zentrale das Herz unserer Botschaft ist, wenn Sie verstehen.«
»Natürlich.«
»Sie können mit dem Lift fahren.« Er deutete nach rechts, wo sich eine schmale Holztür befand. »Allerdings möchte ich gern hier unten bleiben.«
»Wie Sie wünschen.« Wir waren schon unterwegs. Suko zog die Lifttür auf.
Der Fahrstuhl war leer. Sein Inneres erschien mir luxuriös. Es gab zwei Sitzbänke rechts und links, einen gepolsterten Stuhl, und die Leiste mit den einzelnen Knöpfen schimmerte golden.
Sehr vornehm, die Orientaler. Aber ihr Öl brachte es ja. Nur schien sich diesmal der schwarzblaue Segen zum Fluch umzuwandeln, wenn ich mir das so anschaute.
Der Lift zog lautlos an.
Bis in die erste Etage war es eine nur sehr kurze Strecke. Innerhalb von Sekunden hatten wir sie hinter uns. Ich drückte diesmal die Tür auf und hatte sie kaum einen Spalt offen, als wir beide die Schreie und die hämmernde Schußsalve vernahmen.
Die Schreie stammten von einem Menschen, die Schüsse aus einer Maschinenpistole.
Auf dieser Etage schien der Teufel los zu sein!
***
Die Wüste!
Nur wenige lieben sie so sehr wie die Beduinen, die in der Wüste aufgewachsen sind und mit ihren Herden jahraus, jahrein das Gebiet durchziehen.
Die Wüste gab ihnen das, was sie zum Leben brauchten, obwohl dies für einen Europäer fast unbegreiflich ist. In den einsamen Oasen
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