0216 - Der Pharaonenfluch
sicherlich ein großer Kenner von Altertümern. Denn, obwohl erst abweisend, wollte er plötzlich alles ganz genau wissen. Ahmad al Bank hatte ihm natürlich ein Märchen aufgetischt, das glaubhaft klang.
Wie hätte er dem Franken die Wahrheit sagen sollen.
Die schreckliche Wahrheit.
Daß sie vor einigen Tagen ihren Anführer, der eine vollständig erhaltene Mumie in seinem Besitz hatte, in seinem Schuppen tot aufgefunden hatten.
Aus seinen Augen hatte das namenlose Grauen gestiert.
Was Yussef ben Khebir gesehen hatte, das mußte schlimmer gewesen sein als die Jäger der Nacht.
Die Männer, die ben Khebir fanden, sahen die zerschlagene Mumie, den Spaten, den ihr toter Anführer noch im Sterben umkrallt hatte. Da ahnten sie, wer hier ein schreckliches Strafgericht gehalten hatte.
Den Leichnam ben Khebirs ließ man in der Wüste verschwinden. Nicht auszudenken, wenn das ruchbar würde und man von Amts wegen Fragen stellte. Da konnten Polizisten kommen, die man nicht mit einem größeren Bakshish von ihrer Spur abbringen konnte.
Und Abdul riet, auch das, was von der Mumie übriggeblieben war, unter dem Sand der Wüste zu verscharren. Besonders den Schädel.
Aber in den Arabern siegte die angeborene Habgier.
Auch wenn die Mumie zerstört war, ließen sich ihre Einzelteile noch in Kairo auf dem schwarzen Markt unauffällig an den Mann bringen. Und der Schädel, nun, allein war er sicher harmlos. Denn die Grabräuber waren sicher, daß ben Khebir erst im Angesicht des Todes die Mumie zerschlagen hatte.
Der Mumienschädel würde den größten Gewinn abwerfen. Nur sollten mehrere Männer die Teile der Mumie getrennt verkaufen. Wer wußte denn, ob sich der Leib in der nächsten Nacht sich nicht durch dunkle Kräfte erneut zusammenfügte und weitermordete?
Mehrere Männer beschlossen nach Kairo zu gehen. So würde man die Mumie verkaufen können und ben Khebirs Tod wäre nicht ganz umsonst.
Zu diesen Männern, die aus dem Dorf Kurna auf der Westseite des Nils bei Theben hausten, gehörte auch Ahmad al Bank.
Und diesem Mann, der sonst das Leben eines einfachen Fellachen führte, war gar nicht wohl zumute mit seiner verfluchten Last.
Aber, Allah sei Dank, nur noch wenige Stunden und der Effendi würde den Grund für Ahmads Ängste gegen viel Geld erwerben.
Er würde viel Geld für das Rippenstück bekommen. Und Ahmad al Bank überlegte, was er sich von diesem Lohn der Angst kaufen würde.
Es waren durchweg angenehme Gedanken. Und seine letzten.
Denn wie Yussef ben Khebir hörte auch er die Stimme. Die Stimme des Priesters Ramose aus dem Irgendwo. Mochte auch sein Körper zerschlagen worden sein, sein Geist lebte und war allgegenwärtig.
Der Besitz eines der Fingernägel würde ausreichen, um der Rache des Anubis Priesters zu verfallen. Denn er konnte jedes seiner früheren Körperteile sich erneut dienstbar machen.
Aus der Rippe, die Ahmad al Bank, unter sein Gewand geschoben hatte, strömte es hervor.
Es hatte keine Substanz, war so etwas wie Nebel, ohne aber Nässe und Feuchtigkeit zu besitzen. Und es war kein milchweißes Wallen, in häßlichen Schwefelgelb waberte es hervor.
Noch merkte der Araber nichts. Seinen Gedanken nachhängend schritt er einem durch den Tahir-Garten auf der Nilinsel. Kein Mensch war in seiner Nähe. Niemand wurde Zeuge des gräßlichen Geschicks, das nun auf Ahmad al Bank hereinbrach.
Es floß an ihm empor, legte sich um seinen Hals und umschleierte sein Gesicht. Der Araber wollte schreien, wollte um Hilfe brüllen. Aber es ließ nicht einmal ein Gurgeln hervor.
Und Ahmad al Bank starb, wurde getötet von der Mumie, deren Grabruhe er gestört hatte, mit deren Körper er Handel treiben und sich bereichern wollte.
Fürchterlich strafte der Priester Ramose die Schänder seines Grabes und ihre Helfer.
Aber bevor al Bank in das hinüberglitt, das die zivilisierten Menschen das Jenseits nennen, hörte er noch wie eine eherne Posaune die Stimme des Priesters.
Des Priesters aus der Zeit des Kriegerpharaos Haremhab, der seit dreitausendsiebenhundert Jahren seinem Gott das zweite Opfer darbrachte.
***
Vom Balkon seines vollklimatisierten Zimmers, in dem eine angenehme Kühle herrschte, blickte Professor Zamorra über Kairo hin. Vom Hilton-Hotel aus zeigte sich El-Qahira , die Siegreiche, wie die Stadt von den Arabern genannt wird, von ihrer Postkartenseite.
Alte Paläste und moderne Hochhäuser am jenseitigen Ufer fügten sich zu einer imposanten Skyline zusammen. Über die
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