0216 - Der Pharaonenfluch
einstrich.
»Papyros, Effendi!« sagte der Araber eifrig, in dessen geistiger Rangordnung die beiden Freunde gewaltig aufgewertet waren, seit er von Hamada das Märchen vom starken Emir und dem verkleideten Harun al Raschid gehört hatte. »Ganz vorsichtig! Leicht zerbrechen!«
Und als gelte es, Taubeneier zu präsentieren, zog er mehrere handtellergroße Papyrosschnitzel hervor, die er sorgsam auf den Tisch ausbreitete, die Sicht gegenüber der anderen Tische aber mit dem langen Ärmel seines Haik unmöglich machte.
Michael Ullich stieß einen leisen Pfiff aus. »Die Dinger sind echt!« sagte er dann auf Deutsch.
»Bestimmt?« Carsten Möbius wurde skeptisch.
»Ich will noch mal genauer nachsehen«, sagte Ullich und war schon ganz versunken, murmelte vor sich hin und atmete scharf ein und aus.
»Gefunden in Binden von Mumien, Effendi!« erklärte der Ägypter. »Eingewickelt in Mumie!«
»Das kann stimmen!« sagte Michael. »Diese Art Abschiedsbriefe wurden öfters beigegeben. Manchmal auch Hinweise auf Geheimnisse des Pharaonenhofes. Das Zeug müssen wir haben. Das kann von ungeheuerem wissenschaftlichen Wert sein.«
»Woher … woher weißt du das?« fragte der Millionenerbe.
»Ich kann leidlich die Hieroglyphen entziffern!« gestand der Mann, den man seinerzeit vom Gymnasium verjagt hatte.
»Hier, sieh. Das ist das Namenszeichen der Pharaonin Hatschepsuth. Allein dieses Namenszeichen ist viel wert, weil es auf Befehl des Thutmosis fast überall getilgt wurde.«
Carsten Möbius besah sich aufmerksam die Zeichen, die ihm der Freund deutete.
»Hier, das Zeichen für › Grab ‹ und für › Tal der Könige ‹.« erklärte Ullich. »Und das hier – › General Setnacht, den Horus liebt ‹ – Mensch, Carsten, das ist der Hinweis auf das Grab eines reichen Würdenträgers. Und allem Anschein nach ist es noch nicht geplündert. Das kann ein Fund werden, der Tut-anch-Amun in den Schatten stellt. Denn die Zeiten der Hatschepsuth waren für Ägypten goldene Jahre!«
Nach der dritten Tasse Mokka war man mit dem Ägypter über den Preis einig. Vorsichtig verstaute Carsten Möbius seinen Schatz in der Hirtentasche.
»Vielleicht finanziert Väterchen die Grabung!« sinnierte er vor sich hin.
»Und nun das Beste!« griff Hamid ibn Asser noch einmal in die Falten seines Haik. Mit weitaufgerissenen Augen sahen die beiden Freunde die schwarze Mumienhand, die er hervorzog.
» Allah kerhim – Allah ist gnädig!« brach es aus Ibrahim Hamada hervor.
»Auch das Grab!« bemerkte ibn Asser. Er mußte es ja wissen, denn auch er hauste in dem Dorfe der Grabräuber nahe Theben. Und auch er hatte zu Yussef ben Khebirs Gefolge gehört.
Wieder wanderte ein Gegenstand von Hand zu Hand. Nur der junge Mann, der am Morgen noch Dieb gewesen war, wehrte mit aller Entschiedenheit ab.
»Echt!« sagte Ullich und bemühte sich, seinen Ekel hinunter zu würgen. Und er gab die Mumienhand an den Ägypter zurück.
Die Faust ibn Assers umschloß das, was einst die Hand des Priesters Ramose gewesen war.
Und dann hörte er die Stimme, die er nicht verstand.
» Gott der Schatten. Führer der Toten. «
Der tote Anubis-Priester weihte seinem Gott ein weiteres Opfer.
In die Totenhand kam plötzlich Leben. Und mit wenigen Zuckungen entwand sie sich der Faust des Ägypters.
Hamid ibn Assers Schrei erstickte in einem gurgelnden Stöhnen, als er die krallenförmige Mumienhand an seiner Kehle verspürte. Er begann, wie ein Betrunkener hin und her zu taumeln, riß mehrere Tische um und stürzte dann zu Boden.
Unter den Gästen entstand Panik. Frauen kreischten, Männer brüllten, die herbeieilenden Kellner wurden zur Seite gestoßen, als alle dem Ausgang zustrebten.
Ob es eine schwarze Schlange oder sonst etwas war, was hier den Araber würgte, konnte niemand der Unbeteiligten genau sagen.
Aber es war gefährlich. Und es brachte den Tod. Jeder hatte die bösartige Ausstrahlung verspürt.
Und während die Menschen flohen, während Möbius und Ullich den Ägypter suchten, um ihm zu helfen und Ibrahim Hamada sich in Todesfurcht unter dem Tisch verkroch, erlitt ibn Asser die Strafe aus dem Jenseits für die Schändung der Gräber.
Als ihn Möbius und Ullich endlich fanden, hatte er bereits seine Seele ausgehaucht.
Und die Hand des Toten umspannte noch seine Kehle.
***
»Was ist denn hier los?«
Fast wurden Zamorra und Nicole an die Wand des Hoteleingangs gedrückt, als ungefähr hundert Leute, aller Nationalitäten versuchten,
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