0216 - Der Pharaonenfluch
wollte, zerstörte.«
Eine Zeitlang, schien es, als halte die Welt den Atem an. Aber in diese Stille konnte man die Beratung der Götter vernehmen. Es war, als wenn man einen Film von den Fällen des Niagara oder den über die Victoria-Fälle stürzenden Sambesi ohne Ton sieht. Man hat die Urgewalten, die der Geist des Menschen weder zu fassen noch sein Arm zu zügeln vermag, vor Augen, man meint förmlich, das Donnergetöse zu vernehmen, mit denen die Wassermassen niederstürzen und dennoch hört man nichts. Also war es auch – als die Götter von Khemet, wie Ägypten in den Tagen der Pharaonen genannt wurde, mit sich zu Rate gingen.
Wie lange diese Beratung dauerte, ist nicht mit dem Maße zu messen, das die Menschen Zeit nennen. Schließlich vernahm Ramose wieder das Wort des Anubis.
»Helfer sollen dir werden!« hörte er die Stimme des Gottes. »In der Savanne sei dir Sekhmets Löwen, in den Wassern des Nils die Krokodile des Sobek und in den Lüften der Falke des Horus zu Diensten, so du sie rufst. Überall im Lande gehorchen dir die Kinder des Seth, das Schlangengewürm, das tückisch der Ferse des Menschen nachstellt. In der Wüste aber dienen dir meine Kinder. Hörst du ihre Stimmen. Vernimmst du ihren Gesang?«
Weit in der Ferne hörte das Ramose-Wesen ein klagendes Heulen.
»Ich höre Herr und Gebieter!« sagte er dann. »Ich lausche dem Gesang derer, die dir heilig sind!«
Denn in der Ferne der Wüste hatte ein Schakal begonnen, klagend den Mond anzuheulen. Andere waren in diesen schauervollen Gesang eingefallen und nun wehten Geräusche herüber, die auch starken Gemütern eine Schauer über den Rücken rieseln lassen konnte.
Nicht jedoch dem Ramose. Denn in den Tagen, das er lebte, fütterte er als Ehrendienst die in den Tempelhöfen lebenden Hunde und Schakale des Anubis. Und außerdem war er zu keiner furchtsamen Regung im menschlichen Sinne mehr fähig, weil er bereits Tausende von Jahren tot war.
»Sie sind deine Diener und Sklaven!« hörte der ehemalige Priester die Stimme seines Herrn. »Geh. Laß sie los auf das Geschlecht der Menschen, das uns keine Verehrung mehr zollt. Bringe durch sie den Göttern Ägyptens Opfer dar. Dann wahrlich, jeder Mensch, dem diese das Leben rauben, wenn du ihnen den Angriff befielst, ist ein Opfer für uns, als wenn du es selbst gespendet hättest!«
»Aber … sie fürchten seit allen Zeiten den Menschen!« wagte Ramose einzuwerfen.
»Es sind meine Kinder!« grollte der Schakalgott. »Und sie werden über sich selbst hinauswachsen. Sie werden stark sein und tapfer … und kühn wie ihre wilden Vettern in den nordischen Wäldern. Wie die grauen Wölfe aus den Ländern, wo Schnee und Eis liegt, werden sie auf deinen Befehl in die Siedlungen der Menschen einbrechen. Nutze die Gunst der Stunde, mein Diener. Denn ich verspüre unweit von hier menschliches Leben … Viel menschliches Leben. Und dieses Leben weiß nichts von der drohenden Gefahr. Sammele die Kinder des Anubis und laß sie los auf die Frevler, die sich von den Göttern des Niltals abgewandt haben. Sie sind in deine Hand gegeben …«
***
Es war, als wären sie mit einem einzigen Schritt ihrer Füße in eine andere Zeitebene eingetreten. Denn das Bild, was sich ihnen bot, war nicht mehr identisch mit der Zeit, da der Mensch zur Eroberung des Weltraumes ansetzte.
Sie schienen in der Welt der Kalifen und Sultane zu sein. Ihre Augen, die sich erst langsam an das gedämpfte Licht gewöhnen mußten, erblickten ein Kaleidoskop des Orients, wie es sich den Fantasien der Menschen aufbaut, welche den Erzählungen der Sherezade lauschen.
Ein dunkelhäutiger Page in weißer Kleidung führte sie, diskret vor ihnen herdienernd, zu einem niedrigen, runden Tisch in der Nähe von dem, was man als Bühne bezeichnen kann. Professor Zamorra und seine Begleiter folgten dem dienstbaren Geist wie im Traum. Nur Ibrahim Hamadas Augen, für den das Gesicht des Orients keinen Zauber mehr besaß, ließ einen forschenden Blick über die Szenerie wandern. Vorsicht hatte noch nie geschadet.
Ohne das es besonders angeordnet wurde, kam eine kunstvoll gearbeitete Wasserpfeife mit vier Zügen in die Mitte auf den Tisch. Geschickt steckte sie der Diener des Hauses in Szene. Mit vielen Verbeugungen ließ er das recht reichlich bemessene Bakshish des Professors in seiner dunkelhäutigen Hand verschwinden.
Professor Zamorra mußte grinsen, als er seine Begleiter jetzt vorsichtig an der Wasserpfeife ziehen sah. Er kannte
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