0216 - Der Pharaonenfluch
geübtes Auge einen metallisch schimmernden Gegenstand entdeckt.
Carsten Möbius, nicht der Schnellste und nicht der Stärkste, trug zu seiner Sicherheit ständig einen kleinen sechsschüssigen Revolver bei sich. Diese Tatsache hatte ihm in England, als sie dem Steinriesen von Cerne Abbas gegenüberstanden, das Leben gerettet. Der »Engelmacher« wie er die Waffe sarkastisch nannte, gab ihm in gefährlichen Situationen ein gewisses Gefühl der Sicherheit.
Für Barud al Kamr jedoch war dieser Mann der Killer der Gruppe, ähnlich wie das berüchtigte Babyface Nelson in den wilden Tagen von Chicago. Der Araber? Nun, eine Ratte, aufgelesen auf der Gasse.
Kein Zweifel, das waren al Kamrs Kunden.
Der Hehler konnte jedoch nicht ahnen, daß einer seiner Männer durch einen Zufall der Polizei ins Netz ging. Und daß dieser Mann »gesungen« hatte, wie es im Jargon der Unterwelt heißt.
Die Franzosen, auf die Barud al Kamr wartete, saßen bereits hinter Schloß und Riegel und ein Auslieferungsantrag des französischen Staates galt als sicher.
Nein, Professor Zamorra stellte für ihn glaubhaft die Figur dar, die er von seinem »Geschäftspartner« aus Marseille erwartet hatte. Er mußte nun nur noch mit ihm diskret ins Geschäft kommen.
Denn er war nicht allein. Schon der oberflächliche Blick zeigte ihm die Mitglieder von mindestens vier Gangs, die ebenfalls in seiner »Branche« tätig waren. Und denen ein Menschenleben nichts wert war, wenn es um Geld ging.
Und Selim war da.
Wie dieser Selim weiter hieß, woher er kam und wo er wohnte, das hatte al Kamr bis heute noch nicht rausfinden können. Nur eines war klar. Kontrollierte al Kamr die eine Hälfte von Kairos Schwarzmarkt, so gehörte die andere Hälfte zu Selims Revier. Bis jetzt waren sich ihre Gangs noch aus dem Wege gegangen. Aber es fehlte nur der Zündfunke auf dem Pulverfaß.
Daß die Lunte bereits am schwelen war, ahnte Barud al Kamr nicht.
***
Der Ruf war erklungen. Und die, denen er gegolten hatte, folgten ihm.
Wie der Gott mit dem Kopfe des Schakals befohlen hatte, rief der Geist des Ramose die Kinder der Nacht. Und er rief sie mit den Worten, wie sie sonst nur Anubis, ihr Herr und Gebieter, selbst gebrauchen durfte. In der Sprache, die nie von einem menschlichen Geist ergründet wurde, erklang der Ruf über die Dschebel und die Dünen der Wüste.
Nicht ein menschliches Ohr vernahm den Ruf. Denn weder war die Sprache die der Menschen noch die Art, wie sie gesprochen wurde. Verständigen sich doch auch die Fledermäuse mit schrillen Lauten, die das menschliche Ohr nicht mehr erfaßt.
Die aber, welche gerufen wurden, erstarrten mitten in der Bewegung. Wohl hatten ihre Ururahnen diesen Ruf selbst noch nie vernommen, aber sei es, daß es ein angeborener Urinstinkt war oder, daß auch bei dem Gefolge des Anubis sich Legenden erhalten haben, der Ruf wurde verstanden.
Und sie hielten an, bremsten mitten im Lauf, schreckten aus ihrem Lager in einer Felsspalte hoch oder erhoben sich von der Beute oder dem Aas, was sie in der Nacht gefunden hatten.
Mit bebenden Flanken, die Lauscher steil nach oben gerichtet, vernehmen die Schakale den Ruf des Ramose. Den Ruf ihm zu dienen. Und den Befehl, ihm zu folgen. Zu folgen in die Schlacht. Bis zum Sieg. Oder bis zum Tod.
Denn es war der Tag der Rache gekommen an den zweibeinigen Wesen mit den Stöcken, aus denen Blitze schossen und die damit seit allen Zeiten Schakale getötet hatten.
» Herbei! Herbei! « lautete der Befehl. » Schart euch um mich! «
Und dann schlichen sie herbei – die Kinder der Nacht.
***
Der ganze Anblick war Faszination. Wenn die Sünde des Fleisches jemals Gestalt angenommen hat, dann war es dieses Mädchen, das hier zum Klange der Mizmar , einer klarinettenartigen Flöte, einer Kamandja , wie man die arabische Form der Geige nennt, einer bundlosen Kurzhalslaute, » Ud « genannt und der Darabukka , der Tonkelchtrommel, den schlangengleichen Körper in einem verführerischen Bauchtanz schwang. Alles am Körper der Tänzerin schien zu fließen, während die Finger eine Vielzahl von undeutbaren Gesten ausführte.
Der Körper des Mädchens war nackt und nur an den nötigsten Stellen mit im Schein der Lampen glitzernden Tuch bedeckt. Der untere Teil des Gesichtes wurde durch einen hauchdünnen Schleier unkenntlich gemacht, glutvolle, schwarze Augen musterten die Anwesenden.
Die Europäer waren fasziniert und selbst Nicole Duval widmete dieser Schönheit aus dem Morgenland ihre
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