0217 - Bleigeflüster als Finale
»Vielleicht erwartet uns schon in der Wohnung von Tewes eine böse Überraschung. Dann wird es nicht mehr bei einem ›freundschaftlichen‹ Wortgeplänkel bleiben wir in den Räumen der Ulster.«
Während dieser Unterhaltung waren wir die Delancey Street entlanggefahren und rollten nun auf dem Schiff Parkway der Williamsburg Bridge zu.
War es Instinkt oder Zufall, oder Mißtrauen, oder Routine oder von all dem ein bißchen?
Ich weiß es nicht.
Jedenfalls schaute ich aufmerksamer, als die Verkehrslage es erfordert hätte, in den Rückspiegel. Meine Augen wurden groß.
Was sah ich, durch drei Autos von uns getrennt?
Einen schwarzen Studebaker!
»Phil, schau mal hinten ’raus. Vielleicht kannst du die Nummer des uns folgenden Wagens lesen.«
Phil drehte sich zurück und verrenkte sich den Hals.
»Sorry. Das Nummernschild ist durch die Autos davor verdeckt. Übrigens glaube ich gar nicht, daß das das Gangsterfahrzeug ist. Die Banditen müssen doch wissen, daß ihr schwarzer Studebaker vor dem ,Moonlight‘ gesehen wurde. Es wäre eine unerhörte Frechheit, uns ausgerechnet mit diesem Wagen zu folgen.«
»Phil, diesen Burschen traue ich eine solche Frechheit tatsächlich zu! Schon bei ihrem Coup im ,Moonlight‘ haben sie, sozusagen unter den Augen zahlreicher Polizisten, eine Dreistigkeit sondergleichen bewiesen. Aber warte, das werden wir gleich sehen, ob der schwarze Studebaker sich eigens für uns interessiert oder nur zufällig auf derselben Route wie wir unterwegs ist.«
Ich gab dem Jaguar die Sporen. Der Wagen überlegte nicht erst lange, sondern pfiff wie eine Kanonenkugel davon.
Mit geschickten Manövern überholte ich Wagen um Wagen.
Phil wurde auf dem Sitz hin und her gebeutelt, bis er endlich auf den guten Gedanken kam, sich mit den Händen am Instrumentenbrett abzustützen.
Leider gehören bisweilen solch überhöhten Geschwindigkeiten zu meinem Job. Obwohl ich sonst lieber in vernünftigem Tempo fahre.
Der Jaguar donnerte über die Williamsburg Bridge, dann kurvte ich nach rechts ab in die Bedford Avenue — das Haus Nr. .573 in der Kent Avenue lag genau entgegengesetzt — und schlängelte mich durch einige Seitenstraßen.
Weit und breit war von dem schwarzen Studebaker nichts mehr zu sehen.
»Du bist viel zu schnell gefahren«, meinte Phil.
Ich gab zurück.
»Dein Einwand mußte ja kommen. Ich weiß doch, daß du meine schnelle Fahrweise nicht liebst.«
»Red keinen Blödsinn. Wenn’s nötig ist, kannst du meinetwegen noch viel schneller fahren. Aber jetzt hast du des Guten zuviel getan. Der schwarze Studebaker ist abgehängt, gut. Woher willst du wissen, ob sein Fahrer dein Tempo nicht mithalten konnte, oder ob er uns gar nicht folgen wollte? Du hättest ihn langsamer hinterherlocken sollen.«
»Da hast du wieder recht«, gab ich zu. »Wenn man es genau überlegt, gibt es sogar noch eine dritte Möglichkeit, die wir so oder so nicht .feststellen konnten: der Studebaker will gleich uns in die Kent Avenue.«
»Na, dann zurück. Wenn du wieder so ein Tempo vorlegst wie eben, kommen wir noch vor ihm in Tewes' Wohnung.«
»Aber nicht mit dem Jaguar!« entgegnete ich unvermittelt. »Der Wagen ist zu auffällig. Ich bin nicht scharf darauf, daß es ihm so geht wie dem FBI.-Ford.«
»Das hätte dir auch früher einfallen können«, tadelte Phil nicht zu unrecht.
Ich fuhr den Jaguar in eine Großgarage, schloß ihn sorgfältig ab und versteckte die Schlüssel in der Höhlung der hinteren Stoßstange.'
Dann bestiegen wir ein Taxi.
***
Kent Avenue, das heißt Hafengegend, und damit ist eigentlich schon alles gesagt.
In keinem Stadtteil treibt sich soviel Gesindel herum wie in dem zwielichtigen 'Hafenmilieu mit den zahllosen Schlupfwinkeln für Gangster und Beute in den unübersichtlichen Werftanlagen, den Docks, den Warenstapeln und den Lagerschuppen.
Dennoch macht das Gebäude 573 einen gepflegten Eindruck, sofern man die Bezeichnung »gepflegt« für eine sechsstöckige Mietskaserne überhaupt verwenden kann.
Bevor wir näher ’rangingen, peilte ich sorgsam die Lage.
Auf der Straße parkten etliche Autos, ein schwarzer Studebaker war aber nicht darunter.
Auch sonst entdeckte ich nichts Verdächtiges vor der Wohnung des toten Gangsters.
Aber der Schein kann trügen. Daher sagt ich zu Phil:
»Diesmal müssen wir besonders vorsichtig sein. Zuerst gehe ich mal allein ins Haus. Du wartest hier draußen. Wenn ich dich nach fünf Minuten — er machte einen Uhrenvergleich —
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