0219 - Acht Kugeln für das dritte Opfer
ich immer das Gefühl, der Junge müßte vor mir da sein! Obwohl ich doch genau weiß, daß sie länger arbeiten als wir. Aber er muß ja gleich kommen, ja? Ich möchte nach dem Essen noch eine halbe Stunde raus. Ich muß mal wieder in eine richtige Kneipe gehen und einen Schnaps trinken und ein Bier dabei und mit anderen Männern dummes Zeug reden. Kein Wunder, daß man noch durchdreht, wenn man immer nur denselben Kram redet und sieht.«
»Ja«, sagte Florence. »Tu das! Geh mit Alfredo nachher einen Schnaps trinken! Kommt nur nicht zu spät nach Hause! Du brauchst deinen Schlaf.«
Er grinste:
»Denk mal nach«, sagte er »Wann hast du das das erste Mal gesagt?« Florence runzelte die Stirn. Plötzlich wurde sie rot. Sie wandte sich ab.
»Ich weiß es nicht mehr«, sagte sie. »Du lügst«, grinste Crack, und auf einmal war er wieder der große Junge, als den sie ihn kennengelernt hatte. »Das hast du mir gesagt, als wir das erste Mal abends allein ausgingen. Es war schon drei Uhr früh, und die Nachtigallen sangen, und das Meer plätscherte, und irgendwas hat so wunderbar geduftet und —«
»Jetzt hör aber auf!« sagte Florence gespielt energisch. »Damals warst du verwundet und heute bist du keine fünfundzwanzig mehr! Auch wenn du noch so gut in Form bist!«
»Jawohl, Herr Feldwebel«, nickte Crack und lief zur Wohnungstür, denn es hatte geklingelt.
Es war Alfredo. Mit Toms Beziehungen war es nicht schwergefallen, für den Jungen einen gutbezahlten Job zu finden. Und Alfredo hatte sich gut herausgemacht. Weihnachten war ihm das Gehalt um siebzig Dollar pro Monat erhöht worden. Crack wußte, daß das etwas zu bedeuten hatte.
»Hallo, Al!« sagte er. »Komm rein! Wir haben gerade beschlossen, daß wir beide heute abend unser Bier in einer Kneipe trinken werden, was hältst du davon?«
»Fein, Tom!« sagte Alfredo. »Ich freu mich.«
»Ich auch!«
Nach dem Essen gingen sie. Sie marschierten zu Fuß, denn Crack ließ den Wagen in der Garage, wenn er wußte, daß er Alkohol trinken würde. Als sie den ersten Schnaps getrunken hatten und das Bier wieder absetzten, sagte Crack plötzlich sehr ernst:
»Es ist soweit, Al. Ich habe die Halunken gefunden.«
Alfredo machte große Augen. Sein Mund stand offen, sein prächtiges weißes Gebiß leuchtete, aber sein Gesicht verlor an Farbe.
»Du meinst —«, stieß er heiser hervor.
Crack nickte ernst.
»Ja. Ich meine diese verdammten Burschen, die mir fünfzigtausend Dollar abgeknöpft haben. Heute nacht werde ich ihnen auf die Pelle rücken. Aber diesmal haben sie nichts in der Hand, womit sie mich erpressen können.«
»Ich — ich darf doch mitgehen?« stotterte Alfredo aufgeregt.
Crack schüttelte den Kopf.
»Ausgeschlossen, Junge! Es wäre unverantwortlich, wenn ich dich da mithineinziehen würde. Du mußt mich bei Florence rausreden. Ich habe mir alles genau überlegt. Gegen elf gehst du nach Hause. Natürlich wird sie dich fragen, wo ich stecke. Du maulst ein bißchen und sagst, du wärst auch gern noch geblieben, aber ich hätte dich nach Hause geschickt. Ich hätte da irgendeinen Mann getroffen, einen Kerl namens Bailey, sagst du. Bailey, verstanden? Dann weiß Florence schon Bescheid. Bailey ist ein hohes Tier bei uns in der Firma und nebenher ist er ein Säufer. Wenn Florence weiß, daß ich dem in die Finger gefallen bin, dann rechnet sie von vornherein nicht damit, daß ich früh nach Hause komme. Dann macht sie sich wenigstens keine Sorgen. Den Gefallen tust du mir doch, Al, oder?« Alfredo sah Crack bittend an. Er sagte nichts.
»Hör mal, Al«, sagte Crack verständnisvoll. »Ich verstehe ja völlig, daß du dabeisein möchtest. Aber ich will dir nichts vormachen. Es kann hart auf hart gehen. Und ich bin ein alter Fronthase, ich habe Erfahrung im Nahkampf, du aber nicht. Bei uns sind immer die Neuen zuerst gefallen, die noch keine Ahnung hatten. Es wäre glatter Mord, wenn ich dich mitnähme. Das darfst du mir nicht übelnehmen. Außerdem ist es so, Al, daß ich allein sicherer bin. Da brauche ich auf niemand weiter aufzupassen und auf niemand Rücksicht zu nehmen. Verstehst du das?«
Der Junge senkte den Kopf. Er sagte nichts. Crack bestellte noch einmal eine Lage Schnaps und fuhr fort:
»Mensch, Junge, fast ein Jahr lang haben wir beide die Augen offengehalten, die Piers abgesucht und was weiß ich alles gemacht, weil wir diese verdammten Lausekerle finden wollten, und nichts klappte. Und heute nachmittag fahre ich zufällig in die
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