0219 - Lupinas Sohn
drehte den Kopf und schielte zum Rücksitz, wo die mit Silberkugeln geladene Maschinenpistole lag. Sie fürchtete sich vor der Waffe, denn geweihte Silberkugeln waren auch für sie tödlich, nicht nur für Werwölfe. Sie mußte achtgeben, wenn ihr Begleiter damit hantierte und den Lauf aus Versehen auf sie richtete. Die Scott mochte Trent nicht. Sie paßten einfach nicht zusammen, sie haßten sich.
Nur eine Notgemeinschaft hielt sie zusammen. Wenn die Feinde erledigt waren, löste sich automatisch auch diese Gemeinschaft auf, dann wollte Lady X sich den ehemaligen Mafiakiller vom Hals schaffen.
Sie mußte dafür Sorge tragen, daß noch genügend Munition vorhanden war.
Das Heulen verebbte. In den letzten, klagenden Tönen schwang es noch einmal durch die Dunkelheit, bevor es nicht mehr zu hören war. Stille!
»Fahr weiter!« wies die Scott ihren ungeliebten Begleiter an. »Und beeil dich, wir sind gleich da.«
»Wirklich?«
»Ja, du Idiot, du hast es doch gehört.«
»Sollen wir nicht aussteigen?«
»Ich gebe hier die Befehle!«
Tonio Trent warf der Blutsaugerin einen Blick zu, der besagte, daß er ebenso dachte wie Lady X. Nach dem Auftrag gab es nichts mehr, was sie noch zusammengehalten hätte. Die Abneigung, die Trent als Mensch gegen die Scott verspürt hatte, die empfand er auch als Vampir. Sie rollten an. Diesmal fuhr Trent nicht so schnell. Er kannte die Regeln und hielt sich daran. Das vorsichtige Anschleichen war besser als ein übereiltes Rasen.
Der Rover schwang jetzt sachter und federnder. Lady X saß leicht nach vorn gebeugt und starrte durch die Scheibe.
Sie versuchte etwas zu erkennen und entdeckte bald darauf das erste, schon verblichene Schild, auf dem die Aufschrift nur mühsam zu entziffern war. Das Schild warnte vor einem Betreten des Steinbruchs, und da wußte die Blutsaugerin plötzlich Bescheid. Jetzt endlich kannte sie das Versteck der Werwölfe. Ein Steinbruch. »Stoppen!« befahl sie.
Automatisch gehorchte der Killer. Er hatte sich damit abgefunden, nur die zweite Geige zu spielen. Der Rover rutschte noch ein Stück vor und kam zur Ruhe. Für einen Moment blieben die beiden Blutsauger sitzen, sie konzentrierten sich und horchten, ob etwas zu hören war, doch die Nacht brachte keine Geräusche an ihre Ohren.
»Steig aus!«
Während Lady X das sagte, öffnete sie schon an ihrer Seite die Tür.
Tonio Trent tat an seiner das gleiche. Wie auch die Scott ließ er den Wagenschlag vorsichtig zurückschwingen und behutsam ins Schloß fallen.
Dann reagierte der weibliche Vampir wieder schneller als Trent. Lady X hatte bereits die hintere Tür aufgestoßen und sich in den Wagen gebeugt.
Als Trent die mit Silberkugeln geladene tschechische Waffe nehmen wollte, griff er ins Leere. Triumphierend hielt die ehemalige Terroristin die MPi hoch. »Die habe ich jetzt«, erklärte sie.
»Sie gehört mir!« zischte der Vampir, der ahnte, daß es ein Fehler war, seiner Komplizin die Waffe zu überlassen.
»Mach die Augen zu! Was du dann siehst, das gehört dir. Nimm dir meine!«
Trent quetschte einen wilden Fluch durch die Zähne. Er gehorchte allerdings. Etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig. So wie Lady X früher, so schwang er die MPi über seine Schulter, während die Vampirin die kleine, handliche in den Händen behielt.
Damit war sie der King. Die beiden Werwölfe würden keine Chance haben. Die Silberkugeln vernichteten nicht nur Lupina, sondern auch ihren verdammten Sohn, womit Lupinas Traum von einer Allianz der Wölfe endgültig vorbei war.
Dann konnte Lady X nämlich ihren eigentlichen Plan ins Auge fassen. Er war groß angelegt, doch sie brauchte noch viel Zeit, um ihn zu erfüllen.
Dabei dachte Lady X ähnlich wie Lupina. Auch sie träumte davon, Herrscherin über eine unermeßliche Anzahl von Vampiren zu sein. Irgendwann einmal, nicht heute und nicht morgen, mußte es ihr gelingen, deren Anführerin zu werden.
Allerdings stand ihr dabei einer im Weg. Das war Vampiro-del-mar, der Uralt-Vampir. Er nannte sich selbst Kaiser der Blutsauger, und seine Herkunft lag im dunkeln.
Zwar war er aus seinem Grab in der Nordsee erweckt worden, aber wie er dort hineingekommen war, das stand in den Sternen. Niemand wußte Näheres darüber. Wahrscheinlich auch Solo Morasso nicht. Und falls er etwas wußte, schwieg er sich aus.
Das war Zukunftsmusik, und Lady X schob diese Gedankengänge erst einmal weit von sich.
Sie mußte sich auf die Gegenwart konzentrieren, denn da gab es das
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