023 - Das Kastell der Toten

grünen Augen. Ein scharfer Schmerz zuckte durch seinen Körper. Er geriet ins Taumeln...
    und fuhr aufschreiend zurück, als die krallenbewehrten Pfoten nach seinen Augen schlugen.
    Blitzschnell packte er zu, schlug die Finger in das weiche Fell, schleuderte mit einem Fluch die Katze von sich. Das Tier landete knapp vor einem Baumstamm, drehte sich geschmeidig und duckte sich erneut. Dave keuchte. Er hörte das wilde Fauchen, sah das Spiel der starken, geschmeidigen Muskeln und holte zu einem mächtigen Fußtritt aus.
    Die Katze wich ihm aus.
    Er stolperte vorwärts, stürzte. Sein Kopf schlug gegen einen Stein, für Sekunden war er benommen, und erst der jähe, brennende Schmerz brachte ihn wieder zu sich.
    Heißer, fauchender Atem streifte seinen Nacken. Instinktiv warf er sich herum. Wieder gelang es ihm, das wütende Tier abzuschütteln, er wollte hochkommen, doch ehe er es schaffte, sprang ihm die Katze an die Kehle.
    Dave wehrte sich. Angst flackerte in ihm auf, blindlings schlug er um sich. Irgendein Rest von Verstand stemmte sich gegen die Woge der Panik, sagte ihm, dass es ihm doch, zum Teufel, gelingen musste, einer simplen Hauskatze Herr zu werden, und in seiner verzweifelten Willensanstrengung gelang es ihm, sich zusammenzureißen.
    Mit der Linken fing er die wütenden Krallenhiebe ab, mit der Rechten holte er aus.
    Ein wuchtiger Fausthieb schleuderte die Katze zur Seite. Dave taumelte hoch. Schattenhaft sah er das Tier, sah dicht vor sich die glühenden Augen, und diesmal ging sein Fußtritt nicht ins Leere.
    Die Katze stieß einen schrillen, fast menschlichen Laut aus, als sie durch die Luft flog. Ein Baumstamm bremste sie. Wie eine Feder zog sich der getigerte Leib zusammen, noch einmal schnitt der klagende Laut durch die Stille — und dann huschte das Tier wie ein flüchtiger Schatten in den Schutz des Gebüsches.
    Dave atmete auf.
    Für ein paar Sekunden blieb er reglos stehen, pumpte Luft unter seine Rippen. Erst jetzt drang der brennende Schmerz wieder in sein Bewusstsein. An seiner Schulter, seiner Brust, seinem Hals war die Haut aufgerissen. Blut tränkte sein Hemd und lief an seinem Arm hinunter. Er biss die Zähne zusammen. Die Kratzer konnten sich entzünden, er musste sie mit Jod behandeln, musste wieder ins Haus — aber, er war entschlossen, nicht zurückzugehen, ehe er nicht einen Blick in die Gruft geworfen hatte.
    Langsam, mit schleppenden Schritten, bewegte er sich weiter.
    Seine Gedanken kreisten. Gedanken, die allmählich Gestalt annahmen, immer wieder auf den gleichen Punkt zurückkamen.
    Die Katzen ...
    Ständig waren sie dagewesen, was immer geschah, wohin immer er seinen Fuß setzte. Eine weiße Katze hatte in der ersten Nacht auf Montsalve vor seinem Bett gelegen. Die blaue Kartäuserkatze, die er in dem Turmzimmer gesehen hatte, war ihm schon in Cala Correggio begegnet und...
    Jäh, wie in einer Vision, sah er wieder die Leiche des alten Schäfers auf dem Plateau vor sich.
    Eine zerfetzte, grässlich verstümmelte Leiche. Zerfetzt von ... Krallen?
    Dave biss die Zähne zusammen. Ein Zittern überlief ihn. Konnten Katzen einen Menschen so zurichten? Nein, natürlich nicht! Er machte sich verrückt. Er sah Gespenster. Wenn er nicht durchdrehen wollte, musste er dieses merkwürdige Schloss verlassen. Schleunigst! Am besten morgen schon ...
    Aber erst wollte er die Gruft sehen.
    Auf der Lichtung vor der Kapelle zögerte er einen Moment. Das Gebäude lag gespenstisch im silbernen Mondlicht, die rubinroten Fensterscheiben wirkten wie düster glühende Augen. Dave musste sich zwingen, weiterzugehen.
    Seine Hand zitterte, als er das Gitter aufstieß. Es klirrte leise. Für einen Moment wirkte die Finsternis undurchdringlich wie schwarze Watte, aber nach ein paar Sekunden hatten sich seine Augen daran gewöhnt.
    Das Mondlicht, das durch die Tür fiel, reichte als Beleuchtung.
    Dave sah sich um ... und zog scharf die Luft durch die Zähne.
    Die Kapelle war leer.
    Der steinerne Podest stand noch in der Mitte — aber die drei Särge waren verschwunden.
    Verschwunden?
    Sie konnten sich nicht in Luft aufgelöst haben, sie mussten irgendwo stehen. Dave griff in die Tasche und zündete sich mit bebenden Fingern eine Zigarette an. Der aromatische Rauch beruhigte ihn etwas, und er ließ abermals sein Feuerzeug aufflammen, um mehr Licht zu haben.
    Der Widerschein der Flamme tanzte über die kahlen Wände, über den Boden und...
    Eine Falltür!
    Dave presste die Lippen zusammen. Natürlich: Eine