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0230 - Heroin für Gangsterarme

0230 - Heroin für Gangsterarme

Titel: 0230 - Heroin für Gangsterarme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heroin für Gangsterarme
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bedruckten Umschlägen und ein paar Stapel von Prospekten eines Reisebüros. Er räumte zwei Stühle ab und schob mir einen hin.
    »Bitte, Sir«, sagte er. »Sie müssen entschuldigen, daß es hier so aussieht. Ich verdiene mir zu meiner Rente noch ein paar Dollars dazu, weil ich Geld auftreiben muß für die Überfahrt meines Sohnes. Er hat die Einwanderungserlaubnis bekommen. Und so eine Überfahrt kostet doch viel Ged.«
    »Ja, das glaube ich«, erwiderte ich. Und eine Sekunde dachte ich daran, wie wenig Leute unter uns Amerikanern eigentlich wissen, was für Strapazen manche Menschen auf sich nehmen, nur um bei uns leben zu können. In einem Lande, das nicht einmal ihre Heimat ist…
    Ich zog meine Zigaretten und hielt sie ihm hin. »Rauchen Sie?«
    Über sein altes, von Runzeln und Falten durchzogenes Gesicht ging ein beinahe spitzbübisches Grinsen.
    »Das ist meine Leidenschaft«, gestand er und nahm sich bedächtig eine Zigarette. »Ich hab’s auch schon ein dutzendmal versucht, es mir abzugewöhnen. Aber ich schaffe es nicht. Ich versage jedesmal wenn es darum geht, mit dem Rauchen aufzuhören. Jetzt habe ich mich damit abgefunden und versuche es gar nicht mehr.«
    Ich lachte. »Wer weiß«, sagte ich. »Vielleicht würde ich es auch nicht schaffen. Gut möglich. Ich rauche auch gem.«
    Wir zündeten uns eine Zigarette an, nachdem er einen Aschenbecher in bequeme Reichweite gestellt hatte.
    »Sie haben sich verletzt?« fragte ich mit einem Blick auf sein Kinn.
    Sein Gesicht verfinsterte sich. »Ja«, sagte er in einem Ton, der deutlich machte, daß er nicht weiter darüber sprechen wollte. Aber ich mußte mit ihm darüber sprechen.
    »Ich möchte Ihnen gern eine kleine Geschichte erzählen«, sagte ich, »bevor ich zu meinem Anliegen komme. Sie haben doch nichts dagegen?«
    »Aber nein!« versicherte er lebhaft. »Ich bin froh, wenn mich einmal jemand besucht. Es ist sehr einsam für mich hier oben. Wissen Sie, ich war ein alter Gewerkschaftsfunktionär in meiner Heimat. Und es gab Zeiten, da war die Regierung hinter uns her wie der Teufel hinter der Seele. Ich mußte noch mit 56 Jahren aus meiner Heimat fliehen. Oh, ich konnte ziemlich gut Englisch, das hat mir sehr geholfen. Aber in meinem Alter findet man in der Fremde nicht mehr so leicht Freunde wie in der Jugend.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte ich. »Sie waren also Gewerkschaftsfunktionär…«
    »Ja, aber Sie dürfen nicht denken, daß das irgend etwas an meiner loyalen Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten ändern konnte. Ich bin diesem großen, gastfreien Lande Dank schuldig, das werde ich nie außer acht lassen.«
    Ich lächelte. »Sir«, sagte ich, und ich fühlte Hochachtung vor diesem alten Mann, »Sir, ich habe aus einem ganz besonderen Grunde mit Freude gehört, daß Sie Gewerkschaftsfunktionär waren. Sie haben sich also für Ihre Kollegen eingesetzt. Sie haben versucht, mit dem Einsatz Ihrer Arbeit, Ihrer Persönlichkeit und vielleicht sogar Ihres eigenen Lebens etwas für die Gemeinschaft zu tun. Ich brauche Ihnen die Geschichte gar nicht zu erzählen, die ich Ihnen eigentlich erzählen wollte. Es wäre eine Vermessenheit von mir, wenn ich einem Mann wie Ihnen Geschichten über die Rechte und Pflichten eines Staatsbürgers erzählen wollte. Ich werde Ihnen statt dessen etwas aus meinem Beruf erzählen. Sie erlauben?«
    »Natürlich, Sir!«
    »Sehen Sie, ich bin kein gewöhnlicher Bundesbeamter von irgendeiner administrativen Seite der Verwaltung. Ich bin G-man. FBI-Beamter. Mitglied der amerikanischen Bundespolizei. Wenn Sie wollen, können Sie uns gewissermaßen mit einer Gewerkschaft aller freien Bürger vergleichen. Wir sind da, um die Ruhe und Sicherheit, um Leib und Leben, Hab und Gut unserer Mitbürger zu schützen. Aber Sie wissen, daß es in Amerika komplizierte Gesetze gibt, die jedem Bürger seine Rechte sichern sollen. Bei uns kann kein Mensch verhaftet werden, bevor ein freier, unabhängiger Richter einen Haftbefehl dafür unterschrieben hat. Diesen Haftbefehl kann die Polizei beantragen. Aber dann muß sie dem Richter schwerwiegende Gründe nennen, sonst wird er sich weigern, den Haftbefehl auszustellen.«
    »Das ist mir sehr gut bekannt«, lächelte der Alte etwa in der Art, in der ein alter Lehrer lächeln würde, wenn er hört, daß ihm ein junger Mann etwas erklären will, was er vermutlich viel besser weiß als der junge Mann. »Ich habe die Verfassung der Vereinigten Staaten sehr gründlich studiert und

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