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0232 - Die Melodie der Tommy-Gun

0232 - Die Melodie der Tommy-Gun

Titel: 0232 - Die Melodie der Tommy-Gun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Melodie der Tommy-Gun
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scheinbar gelangweilt in der Straße um. Das Haus bestand aus roten Ziegelsteinen, die im Laufe der Jahre eine sacht schwarze Tönung angenommen hatten. Die Haustür hatte einen gotischen Spitzbogen, das Gebäude selbst wies einige Erkerchen und Pfeiler auf. Im Ganzen war es die Ausgeburt eines Architekten, der nicht genau wusste, ob er einen griechischen Tempel oder eine gotische Kirche hatte imitieren wollen.
    Ich betrat die Bude durch die breite, doppelflüglige, offen stehende Haustür. Es gab eine Halle, deren Decke von vier Säulen getragen war. An den Wänden rechts und links stapelten sich graue Kartons mit dem Aufdruck der Miederfabrik. An einer Säule hing ein Schild mit der Aufschrift ›Kontor‹. Es zeigte nach rechfs hinüber, wo zwischen den Kartons ein Gang ausgespart war, der an einer düsteren Tür endete.
    Ich ging geradeaus weiter, bis ich am Fuß einer breiten Holztreppe stand. Das Geländer begann mit einer gedrechselten Säule, die in einer Kugel endete, auf der wiederum eine Kegelspitze saß. Lack und Farbe waren zum größten Teil von der Säule wie vom ganzen Geländer abgeblättert. Die Löcher von Holzwürmern durchzogen Treppe und Geländer. Wenn man die Würmer noch ein paar Jahre weitermachen ließ, hatte man es nicht mehr nötig, die Treppe wegzunehmen, das erledigten dann die Würmer ohne Bezahlung.
    Misstrauisch stieg ich die Stufen hinan in der Hoffnung, dass sie nicht jetzt schon unter mir zusammenbrechen würde. Es roch muffig. Oben mündete die Treppe auf einer Art Galerie, deren Holzfußboden einmal rot gestrichen war. Der Himmel mochte wissen, welche geschmackvollen Menschen sich in dieser Bude ausgetobt hatten.
    Am linken Ende machte die Galerie einen rechtwinkligen Knick, der auf eine geschlossene Holztür zuführte. Hinter dieser Tür hörte man das starke Rauschen einer Wasserleitung. Aber nicht weit vor dieser Tür gab es eine andere, hinter der ein heiseres Radio mit enormer Lautstärke dudelte.
    Ich blieb stehen, bückte mich und versuchte etwas, was sonst nur neugierige Menschen tun: Ich versuchte, durchs Schlüsselloch zu sehen. Es erwies sich als unmöglich. Entweder war das Loch völlig verstopft und ließ sich für seinen Zweck überhaupt nicht benutzen, oder aber jemand hatte es von innen verhängt. Gerade als ich mich wieder aufrichten wollte, brummte jemand hinter mir: »Streck die Pfoten zum Himmel!« Man konnte beim besten Willen nicht behaupten, dass die Stimme freundlich geklungen hätte. Da sie ihre Wirkung aber durch den harten Druck einer Pistolenmündung in meinem Genick unterstrich, hatte sie etwas sehr Überzeugendes. Also schob ich zuerst einmal brav die Arme hoch, bevor ich mich langsam aus meiner Hocke wieder aufrichtete.
    Als ich stand, war die Pistolenmündung aus meinem Genick verschwunden. Dafür spürte ich sie jetzt knapp oberhalb meiner rechten Hüfte.
    »Geh rein!«, sagte die knurrige Stimme hinter mir.
    Ich versuchte, das Ganze ein bisschen ins Lächerliche abgleiten zu lassen. Also brummte ich in derselben Tonart: »Mit Anklopfen oder ohne?«
    Drei Sekunden lang dachte ich, ich bekäme darauf überhaupt keine Antwort. Dann merkte ich, dass ich mich geirrt hatte. Die Antwort kam und flutete mir mit einer heißen Schmerzwelle durch den Körper. Der Kerl hatte mir von hinten den Lauf der Pistole auf die Schulter geschlagen, dicht am Halsansatz. Mein rechter Arm hing herab, als gehöre er gar nicht mir. Der unerwartete Schlag warf mich nach vorn. Ich knallte mit der Stirn gegen die Tür. Eine Sekunde sah ich rot, dann war das Schlimmste überstanden.
    »Danke schön«, sagte ich. »Bei Gelegenheit revanchier ich mich.«
    »Halts Maul und nimm die Hände hoch!«, sagte mein liebenswerter Gesprächspartner.
    Die Linke schob ich bereitwillig nach oben.
    »Rechts geht’s nicht«, sagte ich dabei. »Du bist selber schuld daran. Ich habe kein Gefühl im Arm.«
    »Geh rein!«, wiederholte er stumpfsinnig.
    Ich tat ihm den Gefallen und drückte mit der Linken die Klinke nieder. Als die Tür nach innen schwang, ertönte ein Quietschen, vor dem eine Katze ausgerissen wäre. Ich fühlte, wie mir das Geräusch die Kopfhaut zusammenzog.
    Das Zimmer dahinter war achtmal sechs-Yard groß, also nicht gerade winzig. Dafür war es offenbar der einzige Raum, der zu diesem Prachtapartment gehörte. An der linken Wand stand ein Bett, das mit zerknautschten Wolldecken übersät war. Am Kopfende des Bettes blitzte ein funkelnagelneuer Kühlschrank der

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