0233 - Allein in der Drachenhöhle
ägyptisch war es nicht.
Ich schüttelte den Kopf und sagte: »Tut mir leid, das hier kann ich nicht lesen.«
Schweigen entstand.
Suko schabte über sein Haar. Er meinte: »Wenn das Buch tatsächlich von den Makkabäern geschrieben worden ist, dann hätten sie sich auch der lateinischen Sprache bedienen können. Sie haben ja erst nach der Zeitrechnung existiert.«
Das stimmte. »Vielleicht haben sie ihre Gründe gehabt, die Botschaft zu verschlüsseln«, erwiderte ich.
»Du denkst daran, dass es kein anderer lesen sollte.«
»So ungefähr.«
»Blättern Sie mal weiter, John«, forderte Superintendent Sir James Powell.
Ich tat ihm den Gefallen, obwohl ich glaubte, dass ich damit nichts ereichte. Selten in meinem Leben habe ich mich so getäuscht, wie in diesen Augenblicken.
»Mann!« Ich schrie auf. »Das ist es!«
»Was?« Sir James und Suko fragten es wie aus einem Munde.
Ich drehte das Buch herum, so dass auch sie mitlesen konnten. »Hier, seht, das ist eine lateinische Schrift.«
Jetzt wurden die Augen der beiden Männer groß. Sie schauten genau hin und mussten mir recht geben, was ihr Nicken auch bewies.
»Sagenhaft«, flüsterte Suko, »wenn das keine Überraschung ist.«
»Da hätten wir ja das Rätsel gelöst«, stellte Sir James fest.
Er war ein wenig zu optimistisch, denn als ich das Buch herumdrehte und mich näher mit der Schrift beschäftigte, stellte ich fest, dass mir die Schrift selbst zwar bekannt war, die einzelnen Worte allerdings nicht.
Ich atmete hörbar ein. »Die Schrift kann ich lesen, Sir, weiß nur nicht, was die Sätze für einen Sinn ergeben.«
»Lesen Sie doch mal laut vor.«
Der Sinn dieser Aufforderung war mir zwar nicht ganz klar, aber ich wollte meinem Chef den Gefallen tun. Also fing ich an.
Es war eine seltsame Sprache. Worte, die aus dumpfe klingenden Vokalen wie »as« und »os« bestanden, aber auch aus Konsonanten, die hintereinandergereiht waren, so dass ich mir beim Lesen fast die Zunge abbrach.
Eine Reihe schaffte ich. Und plötzlich zuckte etwas durch meinen Kopf. Auf einmal hatte ich eine Idee.
Sie war wahnsinnig, verrückt, und doch nicht von der Hand zu weisen. Abrupt hörte ich auf zu lesen und schaute hoch.
»Was ist los?« fragte mein Chef.
»Sir«, flüsternd drang das Wort über meine Lippen. »Sir, ich weiß etwas über die Sprache…«
»Wieso?«
»Als ich die Worte laut las, habe ich mich erinnert. Ich hörte sie schon einmal, nur mit einer anderen Betonung…«
»Mann, John, spannen Sie uns nicht auf die Folter. Wo, zum Henker, haben Sie die Worte gehört?«
Leise erwiderte ich: »In Atlantis, Sir, im alten Atlantis…«
***
Lupina stand auf der Treppe, und Lady X, ihre Todfeindin, explodierte fast vor Wut.
Ihr Zeigefinger zuckte schon, sie wollte schießen, doch irgend etwas hielt sie zurück. Vielleicht ein letzter Rest von Vernunft, denn Lupina war trotz ihrer Feindschaft eine Schwarzblütlerin und stand auf Seiten der Dämonen.
Die Waffe von Lady X deutete nach wie vor auf die langsam die Treppe hinuntergehende Lupina, die sich allmählich aus dem Dunkel schälte und zwei Stufen vor Lady X stehen blieb.
»Hattest du schießen wollen?« fragte sie.
»Ja, daran habe ich gedacht.«
»Es hätte keinen Sinn gehabt.«
Da sagte Lupina Lady X nichts Neues. Die Vampirin rätselte noch immer daran herum, wie so etwas überhaupt passieren konnte. Es war einmalig, und vielleicht gab Lupina ihr eine Erklärung.
In den nächsten Sekunden sprach niemand. Die beiden Feindinnen standen sich in der Stille gegenüber und fixierten sich. Genau und deutlich konnten sie sich nicht erkennen, denn es brannte kein Licht. Da es draußen ebenfalls dunkel war, fiel auch durch das Flurfenster nur ein schwacher grauer Schimmer. Er ließ nur die Konturen der Schwarzblütler sehen.
»Was willst du jetzt machen?« Lupina nahm den Gesprächsfaden wieder auf.
»Ich warte.«
»Aber nicht zu lange, denn Sinclair hat es geschafft und uns reingelegt.«
»Auch den Spuk?«
»Ja«, erwiderte Lupina. »Er besitzt das Buch nicht, so sehr er sich auch bemühte. Sinclair war schneller.«
Lady X stieß einen drohenden Knurrlaut aus. »Dann ist alles verloren«, stellte sie fest.
»So rasch gibst du auf?« höhnte die Werwölfin.
»Weißt du eine Lösung?«
»Unter Umständen. Denn eins ist sicher. Sinclair wird Schwierigkeiten haben, das Buch zu lesen. Es dauert seine Zeit, bis er die Texte entschlüsselt hat. Und diese Spanne müssen wir
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