0233 - Blitzgespräche mit dem Tod
mich. Dann lachten wir beide.
»Es scheint dir ja auch nicht viel besser ergangen zu sein als mir«, meinte Phil.
»Wieso? Solltest du auch geschlachtet werden?«
»So etwas Ähnliches, erschossen, erstochen oder mit dem Stuhlbein totgeschlagen.«
»Schieß los. Nachher erzähle ich.«
***
Mein Freund Phil Decker berichtete:
Nachdem wir uns getrennt hatten, ging ich gemütlich bis zur Kreuzung Center/Canal Street. Dann schlenderte ich in Richtung Manhattan-Bridge hinunter. Es war nichts Besonderes los, und so bog ich in Mulberry ein, um mich einmal wieder bei unseren gelben Freunden sehen zu lassen- Ich bekam Lust auf einen handfesten Nasi Goreng (chinesisch gebackenen Reis), den ich bei San Lo Tji essen wollte.
In dem Laden ging es recht hoch her.
Der erste, den ich dann bemerkte, war unser Kollege Garry Blith, der in der bewußten Sache unterwegs ist. Wir begrüßten uns mit einem Augenzwinkern, und ich setzte mich ein paar Tische von ihm entfernt nieder.
Genau gegenüber auf der anderen Seite hatten es sich vier Männer und ein Mädchen gemütlich gemacht. Eine leere Whiskyflasche stand unter dem Tisch und eine noch halbvolle darauf. Sie tranken das Zeug ohne Wasser oder Eis. Zuerst war ich versucht, die vier für ordentliche Männer zu halten, wenigstens ihrer tadellosen Kleidung nach, aber als ich sie reden hörte, merkte ich, daß es nur Gangster im Sonntagsstaat sein konnten.
Das Mädchen drehte mir den Rücken zu. Zuerst erkannte ich sie nicht, aber dann sah ich zu meinem größten Erstaunen, daß es Patricia Vance war, die uns am Vormittag besucht und den Eindruck gemacht hatte, als sei sie eine Dame.
Was tat die ehemalige Freundin Carions hier in Gesellschaft von vier Gangstern, die zu allem Überfluß auch noch einen waschechten Chicagoer Slang sprachen?
Einer der Kerle goß ein, und damit war auch die zweite Flasche leer. Er grölte nach dem Kellner, und der Chinamann brachte vorsichtigerweise die Rechnung mit.
›Denkst du etwa, du schlitzäugiger Äffe, wir hätten kein Geld?‹ meckerte der Mann, zog eine mit Scheinen gefüllte Brieftasche heraus und knallte einen Zwanzigdollarschein auf den Tisch.
Der Kellner griente und wollte herausgeben, aber der Gast winkte ab.
›Behalte die paar Nickel und bring uns noch eine Flasche, savy?‹
Das Wort savy, das soviel bedeutet wie: hast du verstanden, bewies mir, daß der Bursche im Femen Osten gewesen sein mußte.
Der Kellner grinste noch freundlicher und beeilte sich, Nachschub zu holen. Bis er kam, waren die Becher, die jeder mindestens drei normale Drinks enthielten, wieder leer. Ich staunte über Patricia Vance. Sie schien die einzige zu sein, die das Zeug ohne Schaden vertragen konnte. Sie machte einen vollkommen nüchternen uns sehr wachen Eindruck.
Im übrigen schien sie mit der ganzen Bande und besonders mit dem langen, schmalen Kerl, der den Anführer markierte, dick Freund zu sein. Er steckte zwei Zigaretten an und schob ihr die eine davon zwischen die Lippen. Er legte den Arm un ihre Schultern, zog sie an sich und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie lachte und rückte unauffällig von ihm ab, aber damit war er nicht zufrieden.
Er faßte sie um die Taille und versuchte sie zu küssen. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, daß Pat Vance darauf keinen Wert legte, aber ich bewunderte die Geschicklichkeit, mit der sie ihm auswich, ohne daß er beleidigt war.
Wieder wurde eingeschenkt und getrunken, und jetzt erst konnte ich feststellen, daß Patricia an ihrem Glas nur nippte und den Rest geschickt unter den Tisch gehen ließ. Es sah aus, als ob sie darin Routine habe.
Ihr Nachbar gab seine Bemühungen nicht auf, und je betrunkener er wurde, desto zudringlicher war er. Ich wurde aus der ganzen Situation nicht klug. Entweder das Mädel hatte uns genasführt und war eine Gangstermoll, dann eröffnete das ungeahnte Perspektiven auf die Bankeinbrüche, oder aber sie war auf eigene Faust schnüffeln gegangen, und ich mußte eingestehen, daß sie sich, wenigstens bis jetzt, gar nicht so schlecht anstellte.
Es gab noch eine dritte Möglichkeit, nämlich, daß Patricia einfach einen etwas gewagten Bummel unternommen hatte und vielleicht gar nicht wußte, mit wem sie sich da einließ. Dafür allerdings hielt ich sie für zu klug.
Inzwischen war es zwölf Uhr fünfunddreißig geworden, und die Stimmung an dem bewußten Tisch stieg von Minute zu Minute. Der lange Gangster verlor augenscheinlich die Geduld.
Er zog die Brieftasche heraus, entnahm
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