0234 - Der Boß kennt kein Erbarmen
Stimme, die sich überschlug. »Das können Sie mit uns nicht machen! Dazu geben wir uns nicht her!«
»Ich glaube kaum«, entgegnete Mackinson kühl, »dass ich euch um eure Erlaubnis fragen werde! Bildet euch nicht ein, dass ich mit Calhoone ein Unterhaltungsspielchen treibe! Ich kämpfe gegen den abscheulichsten Gangster, den New York seit langer Zeit gesehen hat, und ich führe diesen Kampf mit allen Mitteln, die einem Journalisten von meinem Schlage zu Gebote stehen! Wenn ihr bisher geglaubt habt, eure Pistolen stellten die größte Macht auf dieser Erde dar, dann werdet ihr von mir altem Mann lernen, dass es eine größere Macht gibt, die nichts mit Brutalität und-Terror zu tun hat und die doch mächtiger ist als alle Pistolen dieser Erde! Ich verabscheue alle gewalttätigen Menschen auf dieser Welt, aber am meisten verachte ich jene widerlichen Kreaturen, die sich als Handlanger für Gangster hergeben! Kein Tyrann auf der Welt, kein Gangsterboss, kein Boss irgendeiner verbrecherischen Organisation könnte irgendetwas ausrichten, wenn es nicht solche Lumpen wie euch gebe, die ihm die Kastanien aus dem Feuer holen! Ich werde den Bürgern dieses Landes eine Lektion vorführen, vor der die Unterwelt zittern soll!«
Gilbert Mackinson war aufgesprungen. Obgleich er ein kleiner Mann von Gestalt war, wirkte er in diesem Augenblick doch sehr imponierend. Seine Augen blitzten, und seine Stimme klang hell und klar wie die eines Jünglings.
Dick Coster sprach leise mit Mackinson und verließ das Zimmer Oben, im Schlafzimmer des alten Journalisten, stand ein zweiter Apparat. Coster wählte eine Nummer. In kurzen Worten schilderte er seinem Gesprächspartner den Überfall und setzte ihn in Kenntnis von der Absicht Mackinsons. Dann legte Coster auf und verließ das Zimmer des alten Mackinson.
***
»Bringt ihn in die daktyloskopische Abteilung«, bat ich die beiden Kollegen, die den Burschen aus der Wohnung des Mädchens abgeholt hatten. »Man soll ihm die Fingerabdrücke abnehmen und feststellen, ob wir seine Abdrücke in der Kartei haben. Ich möchte wissen, ob sein Führerschein echt ist. Wenn ihr mit ihm fertig seid, bringt ihn bitte zu mir ins Office.«
»Okay, Jerry«, nickten die beiden Kollegen.
Ich ging mit dem Mädchen in mein Office. Nachdem ich ihr einen Platz angeboten hatte, fragte ich sie:
»Wie wär’s mit einer Tasse Kaffee?«
»Ja, bitte!«, nickte sie.
Ich telefonierte mit unserer Kantine und ließ mir eine große Portion Kaffee und zwei Tassen bringen. Als wir das Gewünschte erhalten hatten, begann ich vorsichtig mein Gespräch mit dem Mädchen.
»Hören Sie, Miss Raggers«, sagte ich. »Ich möchte, dass Sie mir eine Frage ehrlich beantworten. Ich will Sie nicht quälen, aber ich muss diese Frage stellen.«
Sie hatte den Kopf gesenkt und rührte gedankenverloren in ihrer Tasse.
»Ich kann mir schon denken, was Sie wollen«, murmelte sie. »Sie wollen wissen, ob es mir bekannt war, dass mein Vater ein — ein Gangster war.«
Ich war überrascht. Sie hatte es also gewusst. Verdutzt schwieg ich. Sie hob ruckartig den Kopf und presste bitter hervor:
»Na los! Sagen Sie es ruhig!«
»Was denn?«
»Dass Sie mich verachten! Sagen Sie es nur! Die-Tochter eines Gangsters!«
Sie war den Tränen nahe. Ich legte ihr die Hand auf den Arm.
»Miss Raggers«, sagte ich leise, »niemand verachtet Sie, der auch nur für fünf Cents Verstand im Kopf hat. Was können Sie für das, was Ihr Vater tat? Außerdem, glaube ich, hat er wohl teuer genug dafür bezahlt.«
Sie weinte. Ich ließ ihr Zeit. Als sie sich ausgeweint hatte, zog sie ein Taschentuch aus der Handtasche und schnäuzte sich.
»Entschuldigen Sie«, schluchzte sie.
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, erwiderte ich. »Ich kann mir denken, wie Ihnen zumute ist.«
»Werden Sie jetzt diesen Mann wieder laufen lassen?«, erkundigte sie sich.
»Den ich in Ihrer Wohnung gestellt habe? Warum? Wie kommen Sie denn darauf?«
»Aber«, erwiderte sie kläglich, »aber er hat doch nur einen Gangster umgebracht! Einen richtigen Gangster!«
»Jetzt ist es aber genug!«, sagte ich scharf. »Macht es Ihnen eigentlich Spaß, sich selber zu zerfleischen? Wollen Sie mit aller Gewalt einen Komplex entwickeln, weil Ihr Vater nun einmal ein Gangster war?«
Ich stand auf und trat ans Fenster. Unten wogte der Verkehr durch die Straße. Die Lichter brannten schon, und die Scheinwerfer der Autos huschten lautlos durch die allmählich zunehmende
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