0234 - Der Boß kennt kein Erbarmen
Schmerz erholt hatte, setzte ich ihm einen Kinnhaken an den Punkt. Er verdrehte die Augen und ging in die Knie. Ich hielt ihn am Rock fest, während ich mit der Rechten seine Krawatte löste. Danach bog ich ihm die Arme auf den Rücken und band sie mit der Krawatte zusammen.
Als ich ihn danach losließ, kippte er nach vorn. Er war vorübergehend ausgezählt Der Bursche konnte nicht viel vertragen.
Das Mädchen sah mich immer noch aus großen Augen an, als ich den herabhängenden Telefonhörer endlich zurück auf die Gabel legte.
»Sie - Sie sind wirklich vom FBI?«, stotterte sie.
Ich zuckte die Achseln und hielt auch ihr das Etui hin. Sie sah es an und nickte ein paar Mal.
»Was wollte er?«, fragte ich.
Sie presste die Lippen aufeinander und gab keine Antwort. Ich probierte es zunächst einmal mit einem anderen Thema.
»Wie heißen Sie?«
»Mary Raggers.«
Ich zog mir den Stuhl heran, auf dem bis vor kurzem noch der Gangster gesessen hatte, Heß mich darauf nieder und hielt dem Mädchen meine Zigarettenschachtel hin. Sie schüttelte stumm den Kopf. Ich nahm mir eine und steckte sie an.
Nachdenklich betrachtete ich die Siebzehnjährige. Wenn man nach dem Äußeren immer gehen könnte, hätte man beim ersten Blick feststellen können, dass sie ein ordentliches Mädchen war. Allerdings schien es etwas zu geben, was ihr nicht gefiel. Sie vermied es mir in die Augen zu blicken.
»Sie werden mich zum FBI begleiten müssen«, sagte ich nach einer Weile.
Sie erschrak.
»Ich? Aber warum denn? Ich habe doch nichts getan!«
»Der Kerl da könnte Komplicen haben, die ihn bei Ihnen suchen, wenn er so lange Zeit ausbleibt.«
»Ach so«, murmelte sie. Und auf einmal war es mit ihrer Beherrschung vorbei. Sie ließ sich auf das Sofa fallen, das in ihrer Nähe stand, vergrub den Kopf zwischen den angewinkelten Armen und fing hemmungslos an zu weinen.
»Dieser gemeine Kerl!«, schluchzte sie. »Dieser elende gemeine Kerl…«
Ich ließ sie weinen. Es war das Beste, was sie tun konnte. Langsam rauchte ich meine Zigarette. Durch das Fenster konnte ich hinab in die Straße blicken. Ich sah unseren Wagen, den ich bestellt hatte, hinter meinem Jaguar an den Gehsteigrand heranfahren. Zwei Kollegen stiegen aus, blickten am Haus empor und marschierten auf den Eingang zu.
Irgendwie würde man dem Mädchen beibringen müssen, dass ihr Vater ermordet worden war. Ich war mehr denn je davon überzeugt, dass es kein Unfall gewesen war. Aber ich dachte mit ungutem Gefühl an die Minute, da ich es dem Mädchen beibringen musste. Vielleicht hatte sie nicht einmal gewusst, dass ihr Vater ein Gangster gewesen war, sogar der Chef einer kleinen Bande. Oft wissen ja gerade die nächsten Verwandten am wenigsten über einen Menschen.
Als ich eingetreten war, hatte ich keine Zeit gehabt, die Wohnungstür hinter mir zu schließen. Sie stand jetzt noch offen. Meine beiden Kollegen brauchten mich also nicht zu suchen. Als sie den Treppenabsatz dieser Etage erreicht hatten, sahen sie mich schon auf dem Stuhl sitzen und kamen herein.
»Hallo, Jerry!«, sagten sie. »Guten Abend, Miss! Na, was war denn hier los?«
Ich zeigte auf den Gangster, der gerade dabei war, allmählich auf diese Welt zurückzukommen. Vor dem Mädchen wollte ich die unangenehme Szene, die sie erlebt hatte, nicht noch einmal aufleben lassen. Also warf ich den beiden Kollegen nur einen warnenden Blick zu und sagte:
»Den nehmen wir mit. Ein paar Monate unter staatlicher Kontrolle werden ihm gut tun.«
»Was hat er denn ausgefressen?«, fragte Jimmy Reads, während er zusammen mit Pete Stranger den Gangster hochzerrte.
»Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, tätlicher Angriff auf einen G-man«, leierte ich herunter.
»Seit wann kümmert sich denn der FBI um solche Lappalien?«, brummte Pete Stranger. »Wenn wir uns auch noch mit so etwas abgeben wollen, müssen wir unser Personal verdoppeln.«
»Halt den Mund, Pete«, sagte Jimmy Reads »Wenn Jerry einen mitnimmt, geschieht es bestimmt, nicht wegen irgendwelcher Kleinigkeiten. Pack lieber fester an, du siehst doch, dass unser Freund nicht ganz sicher auf den Beinen ist!«
Sie schafften ihn hinaus. Wir hörten, wie sie mit dem Kerl das Treppenhaus hinabpolterten.
Ich war ebenfalls aufgestanden. Das Mädchen hockte noch auf dem Sofa. Aber plötzlich hob sie den Kopf. Ihr Gesicht war kalkweiß. Ihre Augen schimmerten feucht. Dennoch klang ihre Stimme überraschend klar, als sie hastig
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