0235 - Disco-Vampir
griffen ins Leere.
Die beiden Gestalten waren verschwunden.
»… die hat bestimmt der Teufel geholt!« übertönte Achim Bretners Stimme den aufschwellenden Lärm.
Regina Stubbes Augen füllten sich mit Tränen…
***
Der dunkle Raum wurde nur durch spärlich eindringendes Mondlicht erhellt. Aber die beiden Wesen, die darin wie aus dem Nichts auftauchten, schien das nicht zu stören. Denn die Geschöpfe der Nacht sehen im Finsteren wie die Eule oder die Katze.
»Wo… wo sind wir hier!« kam eine etwas unsichere, männliche Stimme durch die Dunkelheit.
»In einem römischen Grabmal außerhalb von Trier, was die Archäologen bisher noch nicht entdeckt haben, Bruder der Nacht!« zischte Anny Polat, die Hexe. »Denn du brauchst eine solche Zuflucht, wenn die Sonne wieder die Erde erhellt. Du brauchst einen Platz zum Schlafen und zum Ausruhen. Hier ist er… !«
»Ungemütlich… direkt unheimlich!« brachte Tobias Fürchtegott Heinleyn hervor. Diese für einen Vampir ganz unziemliche Behauptung quittierte die Hexe mit einem ärgerlichen Knurren.
»Jetzt laß mal die Faxen, mein Freund!« sagte sie. »Du gehörst zu uns. Auch du bist durch dein Schicksal eines jener Wesen, die des Nachts wandeln müssen bis zum Jüngsten Tag. So tue denn auch, was die Herren der Tiefe von dir verlangen. Ich will deine Führerin auf den Pfaden sein, die du gehen sollst… !«
»Aber ich will nicht!« stellte sich Heinleyn bockig. »Ich bin ein ehrsamer Schneidergeselle und will niemandem schaden. Sag das denen, die dich geschickt haben. Ich will nur das eine… diese Regina Stubbe… mit dem Engelsgesicht… und dem Goldhaar… ich empfinde wie damals… !«
Anny Polat verstand. Dieser Heinleyn würde èin Fall werden, an dem sich selbst Satan in all seiner Majestät die Fangzähne ausbeißen konnte. Zwar war der ehemalige Schneidergeselle von einem Vampir gebissen worden; aber er trug den Samen des Bösen nicht in sich. Und jetzt klammerte er sich auch noch an dieses Mädchen, das ihn zum Guten hinzog. Die Hexe sah ein, daß es Viertel vor Zwölf in diesem Fall war. Der Vampir würde zwar niemanden beißen, aber die Hölle unsterblich lächerlich machen.
Den Anfang hatte er schon gemacht, indem er das Menuett, diesen dämlichen Schreittanz, anstelle der sonst üblichen Disco-Verrenkungen oder des unverwüstlichen Carrè einführte. Und auch seine Kleidung hatte die Jugend von Trier schon stimuliert. Eine ganze Disco im Graf-Dracula-Look! Der alte Vlad Dracul, Fürst der Wallachei und sadistischer Pfähler, mochte sich in seiner Höllenpein ausschütten vor Lachen, wenn ihm irgendein Dämon das erzählte.
Anny Polat las in Heinleyns Gedanken, daß es ihm mit dem Entschluß, dem Bösen zu entsagen, ernst war. Gleichzeitig bemerkte sie aber auch, daß dieser Vampir wider Willen überhaupt keine Ahnung hatte, was er tun mußte.
»Er muß das Beißen lernen!« kombinierte sie. »Hat er erst einmal echtes Blut genossen, wird er sich nicht mehr zurückhalten können. Und diese Regina Stubbe wird dann sein erstes Opfer. Ein Engel der Hölle - das wird dieses Mädchen werden, wenn sie der Vampir geküßt hat. Aber das muß dieser Trottel ja erst noch lernen! Nur wie?«
»Du bist seine höllische Hostess!« schaltete sich die Stimme des Asmodis plötzlich in die Gedanken der Hexe ein. »Laß du dich von ihm beißen!«
»Aber ich… nein… hoher Meister!« stammelte Anny Polat.
»Du glaubst, weil du dann endgültig verdammt bist?« höhnte Asmodis in ihren Gedanken. »Als du dich ins Register der Verfluchten eintrugst, hast du nicht so lange gezögert. Spekulier nicht darauf, daß wir diesen Pakt lösen. Aber«, wurde die Stimme süß wie träufelnder Honig, »denke daran, welche Macht es dir einbringt, wenn du das Erbe des Vampirs weiterträgst. Kein Mann kann dir dann widerstehen… !«
»Ich gehorche, großmächtiger Herr!« Der Hinweis auf die Macht über das starke Geschlecht hatte bei Anny Polat den Ausschlag gegeben. Teufel auch, was hatte sie in diesem Dröhne-Schuppen für feurige Kerle gesehen. Die mußte sie haben. Einen nach dem anderen.
Und sofort faßte die Hexe einen Plan. Tobias Fürchtegott Heinleyn sollte ein echter Vampir werden.
»Du bist mir noch einen Dank für die Rettung vor der Polizei schuldig, Tobias - oder soll ich lieber Toby sagen?« schob sie sich an den unschlüssig herumstehenden Heinleyn.
»Das ist wahr, wohledles Fräulein!«, bekannte der Vampir. »Zwar ist’s nicht recht, nach jeder
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