0236 - Voodoo-Samba
gewesen. Jane war zwar nicht zum Ziel gekommen, trotzdem blieb die Angst um Glenda, denn ich wußte, daß es die ehemalige Detektivin abermals versuchen würde.
Glenda wohnte erst einmal bei den Conollys. Dort hoffte ich sie in relativer Sicherheit zu haben.
»Ich könnte auch allein fahren«, meinte Suko, der meine Gedanken sehr wohl ahnte.
»Ach, Unsinn. Ich fahre mit.« Scharf schaute ich ihn an. »Was macht dich eigentlich so sicher?«
»Eigentlich nichts. Nur der Grund, daß der Macomba-Zauber eben da seine Heimat hat.«
»Wir werden sehen. Der Pfahl ist zerstört, was hält uns noch hier in diesem verdammten Loch?«
»Nichts mehr.«
Zwar war die Luft draußen auch nicht besonders, aber im Gegensatz zu der im Keller kam sie mir wie der reinste Sauerstoff-Himmel vor.
Wir gaben acht, als wir das Haus verließen, deshalb sahen wir zur gleichen Zeit die Gestalt, die auf der Straße neben dem von mir niedergeschossenen Mann stand.
Suko und ich verständigten uns mit einem Blick. Wir beide waren gespannt, was derjenige da zu suchen hatte.
Ungesehen kamen wir nicht heran. Die Gestalt bemerkte uns, richtete sich auf und schaute uns entgegen.
»Guten Abend«, sagte sie dann mit einer volltönenden Stimme, die uns überraschte, denn sie gehörte einer Frau…
***
Wenn das keine Überraschung war, dann wollte ich mein Leben lang die Straße fegen.
Eine Frau in dieser Gegend. Vielleicht noch allein. Wie war sie hergekommen? Diese Frage ließ sich beantworten, denn hinter ihr, fast schon mit den Schatten der Dunkelheit verschmelzend, stand ein Fahrzeug mit ausgeschalteten Scheinwerfern.
Als wir näher herankamen, da sahen wir sie genauer und wurden zum zweitenmal überrascht.
Diese Frau schlug völlig aus dem Rahmen. Sie war in Schwarz gekleidet, und schwarz war auch die gestickte Mantilla, die sie um Kopf und Schultern gehängt hatte. So gingen in den romanischen Ländern die Frauen zur Kirche. Sogar schwarze Handschuhe trug sie.
Mir fiel nicht nur das schmale Gesicht mit der leicht gekrümmten Nase und den großen Augen auf, sondern auch das kleine goldene Passionskreuz, das an einer Kette um ihren Hals hing. Das Passionskreuz zeigte im Zentrum, wo sich die beiden Balken trafen, einen goldenen Strahlenkranz, der selbst jetzt leuchtete.
»Ich habe ihn getötet«, sagte die Frau zur Begrüßung.
Die dritte Überraschung. Sie brauchte nicht zu erklären, wen sie umgebracht hatte, ich sah es so. Es war der Mann, der meine Kugel ins Bein bekommen hatte. Auf der Stirn, genau zwischen seinen Augen, befand sich der Abdruck des kleinen Passionskreuzes. Damit hatte die Frau ihn umgebracht.
Vielleicht wären wir auch dazu gezwungen worden, es zu tun, aber ich hätte mich gern mit ihm unterhalten, um vielleicht mehr zu erfahren. Das war nun nicht mehr möglich.
Keiner von uns sprach ein Wort. Wir schauten uns nur an. Schließlich räusperte sich die Frau und sagte: »Ich glaube, Gentlemen, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig.« Ihr Englisch war hart, man hörte den südländischen Akzent durch.
»Der Meinung sind wir auch«, antwortete ich für meinen Partner direkt mit. »Wir sind beide Scotland-Yard-Beamte.«
Die Frau, deren Alter schwer zu schätzen war, nickte. »Das weiß ich, zudem kenne ich Ihre Namen. Aber lassen wir das. Ich möchte mich zunächst vorstellen. Mein Name ist Inez del Bosque.«
»Spanien, Portugal…?«
Sie lächelte schmal. »Keines von beiden Ländern. Ich komme aus Brasilien.«
Geahnt hatten wir es schon. Da wir nichts darauf erwiderten, fühlte sich die Frau dazu animiert, weiterzusprechen. »Ich bin nach London gekommen, um jemanden zu rächen.«
»Wen?« fragte Suko.
Ruckartig hob sie den Kopf, die Mantilla verrutschte ein wenig, und ihre Gesichtszüge wurden hart wie Stein. »Ich will meinen Mann rächen und meinen Bruder töten!«
Wieder eine Überraschung. Wenn das so weiterging, konnten wir uns noch auf etwas gefaßt machen. »Sie wollen töten?«
»Ja, Cassara! Denn er ist mein Bruder, und er hat sich dem Macomba-Kult verschrieben. Er ist der Erste Diener dieses Götzen. Daß er es wurde, verdankt er dem Mord an meinem Mann. Es war gewissermaßen seine Aufnahmeprüfung. Der Mord geschah vor einem halben Jahr. Seit dieser Zeit jage ich ihn. In London hatte er sich verkriechen wollen, ich spürte ihn auf, doch er ist mir wieder entkommen.«
»Wir haben den Pfahl zerstört«, warf ich ein.
Plötzlich leuchteten ihre Augen. »Dann hat er hier keine Chance mehr und wird
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