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024 - Lebendig begraben

024 - Lebendig begraben

Titel: 024 - Lebendig begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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Fakten, die ungewöhnlich waren; gerade recht, um den Aberglauben anzuheizen. Und dann kam noch ein Gerücht dazu: Die drei Kinder, denen sie Taufpatin gewesen war, hatten nach der Taufe hohes Fieber bekommen; und Fieber, so lautet ein altes Sprichwort, war mit dem Feuer der Hölle verwandt.
    Alles, was ich so über das Mädchen in Erfahrung gebracht hatte, ließ ich durch meine Mittelsmänner an Wagner weitergeben. Sie überbrachten es ihm langsam – Stück für Stück; am Stammtisch oder im Tabaksladen oder bei sonstigen, scheinbar zufälligen Gelegenheiten. Er fraß es. Und ich erfuhr bald, dass der alte Aberglauben weitaus mächtiger war als die Vernunft.
    Bereits am nächsten Tag sah ich Kreidemale an den Türen und Fenstern des Kronacher-Wirtshauses. Jemand hatte einen Drudenfuß an die Scheiben gekritzelt. Die Dorfbewohner mieden das Haus.
    Der Wirt kam zu mir, zusammen mit seiner Tochter. Er meinte, er wüsste schon, wer dafür verantwortlich sei – nämlich der Bauer Wagner. Er hatte keine Beweise, und ich schickte ihn fort, welche zu beschaffen. Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre es mir in diesem Stadium unmöglich gewesen, ihm zu helfen. Ich wusste in diesem Moment noch nicht, dass sein Schicksal längst besiegelt war.
    Er versuchte noch, die Polizei einzuschalten, aber die Ortspolizei war zu hilflos, und die Gerheimer Polizei konnte er nicht mehr erreichen. Die Telefonverbindung war unterbrochen; durchgeschnitten, wie sich später herausstellte.
    In der Nacht ging sein Haus in Flammen auf, in denen sowohl er als auch das Mädchen verbrannten.
    Ich sah es nicht. Ich verbrachte die Nacht – wie immer – auf dem Hof bei meinen Pflegeeltern. Bedauerlicherweise. Feuer faszinierte – und erschreckte mich.
     

     
    Von dieser Nacht an wartete ich nicht erst, bis jemand mit solch einer Sache zu mir kam, sondern begann selbst Feuerchen zu schüren. Ich schmiedete Pläne und schob Figuren hin und her. Ganz Forchting war mein Spielbrett. Es bedeutete wenig, ob jemand schuldig war oder nicht. Ich stachelte meine Figuren so lange auf, bis sie handelten.
    Es war ein trockener Herbst, der Fluss beinahe ausgetrocknet. Trinkwasser wurde knapp. Mensch und Tier litten unter dieser Dürre. Mit Bedacht suchte ich mir einen Schuldigen dafür- und fand ihn.
    Der Schulmeister war ein ruhiger, freundlicher Mann mittleren Alters, der sich im letzten Jahr um ein Stück Grund am Seeufer bemüht hatte; aber seine Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt gewesen, keiner der Bauern hatte verkaufen wollen.
    Ich begann geschickt eine Rachepropaganda anzukurbeln, die auch nach einigen Tagen Früchte trug. Den entscheidenden Stoß aber konnte ich ausführen, als ich in der Schulbibliothek zwei Werke über Hexen und okkulte Bräuche entdeckte und überall davon erzählte.
    Es dauerte keine Woche, und der Schulmeister schwamm im See, den er so gern hatte haben wollen.
    Der arme Kerl hatte das Pech gehabt, das die Dürre anhielt. Ein einziger Regentag hätte ihn sicher gerettet.
    Die Unfälle häuften sich. Brände und Morde, die nicht nach Morden aussahen. Niemand schöpfte Verdacht. Niemand ahnte etwas. Nur ich – ich wusste, wie diese Dinge geschahen. Ich hätte sie vorhersagen können, so exakt arbeitete das Schicksal nach meinen Plänen.
    Jeder Erfolg bedeutete eine tiefe Befriedigung für mich. Natürlich erkannte ich das Unmenschliche meines Handelns, aber es schreckte mich nicht – außer manchmal, wenn ich nachzudenken und zu grübeln begann. Es war etwas Sadistisches in mir, das mich vorwärts trieb, das mir immer neue Ideen eingab. Es war wie ein Zwang. Ja, wie ein Zwang zum Bösen. Ich musste einfach sehen, wie das Böse in anderen erwachte. Mich interessierten nicht die Opfer. Ich weidete mich nicht an ihren Qualen. Mein Interesse galt den entfesselten menschlichen Gefühlen, die Böses gebaren: Hass, Wut, Gier, Furcht, Aberglauben. Sie brauchten nur den nötigen Funken, um aufzulodern.
    Zwei weitere Höfe gingen in Flammen auf. Sechs Menschen fanden den Tod. Sie waren unschuldig. Aber was bedeutete das schon? Sie waren gut. Sie waren jene Materie, an der das Böse sich offenbaren kann und seine Krallen schärft.
    So empfand ich es nicht nur – ich fühlte, dass es so war.
    Es war eine ewige Weisheit, dass alles Feuer der Hölle gehörte. Wie musste der Himmel kalt sein ohne das Feuer!
    Aber in Forchting würde keiner frieren – nicht, solange ich hier war und die Flammen schürte.
     

     
    Als das Frühjahr kam,

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