0240 - Vampir-Kosmetik
sollte Sheila hin?
In den letzten Sekunden hatte sie verzweifelt nach einem Ausweg gesucht. Jetzt, wo die Gefahr größer geworden war, wich seltsamerweise die Angst. Sheila konzentrierte sich auf den tückischen Angriff, und sie dachte dabei an ihre Familie, vor allen Dingen an den kleinen Johnny, der die Mutter brauchte.
Nein, sie wollte sich nicht einfach umbringen lassen. Eine Waffe besaß sie nicht. Sheila mußte sich auf ihre Hände verlassen.
Das war schwer genug, denn auf dem Gebiet der Selbstverteidigung war sie nicht ausgebildet.
Die Kleine kam zuerst. Linda Long, hieß sie. Sie hatte den rechten Arm halb erhoben und gleichzeitig angewinkelt, so daß die Klinge des Rasiermessers in ihrer Augenhöhe eine Linie bildete. Darunter begann der andere Teil des Gesichts, wobei sie den Mund geöffnet hatte, so daß Sheila ihre matt schimmernden Vampirzähne genau erkennen konnte.
Bills Frau ließ die Umhängetasche von der Schulter rutschen. Die Bewegung war nicht sehr schnell durchgeführt worden, Linda sollte auch keinen Verdacht schöpfen, aber dann explodierte Sheila.
Nicht nur sich selbst wuchtete sie vor, sondern auch die ziemlich schwere Tasche.
Beide zusammen krachten gegen Linda.
Zuerst die Tasche. Dabei hatte Sheila so gezielt, daß sie gegen den Messerarm wuchten mußte, wenn sie traf. Und sie hatte Glück. Bevor Linda ausweichen konnte, wurde sie erwischt.
Als Untote verspürte sie zwar keine Schmerzen, aber einem nicht erwarteten Aufprall dieser Wucht konnte auch sie nichts entgegensetzen. Sie flog zurück.
Mit den Armen ruderte sie, verlor den Halt und fiel zu Boden.
Weshalb sie dabei ihre rechte Faust öffnete, wußte sie wohl selbst nicht, aber Sheila sah es, und da sie dem Wesen am nächsten stand, nahm sie die Gelegenheit wahr.
Ihr Schritt glich einem Spagat, so groß war er gezogen. Und mit der Fußspitze erreichte sie das Messer. Bevor Linda zugreifen konnte und sich dabei fauchend herumwarf, hatte Sheila die Waffe schon weggekickt. Mit dem linken Fuß trat sie noch kräftig zur Seite hin aus und erwischte die Vampirin im Gesicht.
Die Stiefel besaßen zwar keine hohen Absätze, aber der Druck der niedrigen reichte auch.
Linda Long war erst einmal mit sich selbst beschäftigt, und Sheila konnte sich um das Messer kümmern.
Sie riß es so an sich, wie ein halb Verdursteter die lebensrettende Wasserflasche, und sie fuhr sofort mit der aufgeklappten Waffe in der Hand herum.
Hinter ihr hatte schon die zweite gestanden.
Aber Sheila war schneller als Harriet Pierce.
Ihr Arm schnellte vor. Gleichzeitig bewegte sich die rechte Hand zur Seite, und sie spürte plötzlich den Widerstand, wobei ihr klar war, daß sie getroffen hatte.
Sie sah es eine halbe Sekunde später.
Von einer Wange zur anderen klaffte der Riß im Gesicht der Blutsaugerin. Sogar der Nasenrücken war gespalten, und die Wunde, aus der ein wäßrig wirkendes Blut tropfte, entstellte das Gesicht des Wesens zu einer schrecklichen Grimasse.
Dennoch lachte sie.
Es war ein gemeines, häßliches und böses Lachen, das sie Sheila buchstäblich entgegenschleuderte und der Frau klarmachen sollte, nicht auf der Verliererstraße zu sein.
Vampire können auf diese Art und Weise nicht sterben! Wieder wurde Sheila daran erinnert, und sie stellte auch fest, daß ihre Chancen nach wie vor mies standen.
Schnell sprang sie zur Seite.
Dabei hörte sie, wie Bella Benson in die Hände klatschte. »Ja!« rief die Anführerin, »so ist es gut. Endlich mal ein Opfer, das sich wehren kann. Los, zeigt es ihr!« Sie feuerte ihre beiden Komplizinnen heftig an.
Wieder mußte Sheila zurück, denn Linda Long hatte sich ebenfalls erhoben.
Sie schäumte vor Wut, und sie stürzte sich voller Haß und Zorn auf ihre Gegnerin.
Sheila empfing sie mit einem Messerschlag und einem Tritt. Der Tritt traf, das Messer ebenfalls. Allerdings nicht ihm Gesicht. An der Hand hinterließ die Klinge einen tiefen Einschnitt, rutschte ab und sägte in die Kleidung.
Der Kittel war locker und warf Falten. Zwar durchschnitt die Klinge den Stoff, aber wie der Zufall oder Teufel es wollte, verhakte sie sich dennoch. Sheila mußte zerren, um ihre Hand wieder freizubekommen. Und das merkte auch Linda.
Ihre Handkante kam wie ein Fallbeil. Sie fiel von oben nach unten, und sie traf genau dort, wo sie auch treffen wollte.
Sheila Conolly stöhnte vor Schmerzen. Ihr Mund öffnete sich, sie verzog das Gesicht, und Angst nistete in ihren Augen. Damit hatte sie nicht gerechnet
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