0242 - Shengs Racheschwur
sich umzudrehen. Eine schwere Pranke legte sich auf ihre Schulter, um sie herumzudrehen, eine andere versuchte ihren, in der knappsitzenden Hose vorteilhaft zur Geltung kommenden, Po zu umschließen. Beim Versuch blieb es. Nicole setzte einen Judogriff an und räumte die Theke mit dem Burschen ab. Zwischen zersplitternden Gläsern kam er am anderen Ende an.
Der zweite Mann sprang sofort ein paar Schritte zurück. Seine Hand stieß auf den Colt herab.
Nicole reagierte sofort. Sie zog, und sie war nicht einmal langsam dabei. Aber zwischen Filmen und Romanen und der Wirklichkeit gibt es ein paar schwerweigende Unterschiede. Erstens war die Waffe mordsmäßig schwer, zweitens merkte sie, als sie abdrücken wollte, daß der Lauf irgendwohin zeigte, aber nicht auf den Mann vor ihr, und drittens konnte sie gar nicht abdrücken. Der Abzug sperrte.
Der Mann ließ sich mit dem Ziehen fast zu viel Zeit. Entsetzt sah Nicole, wie die Mündung des Revolvers sich auf sie richtete, fast bedächtig, und wie der Mann mit dem Daumen den Hammer zurückzog. Es gab ein häßliches, klickendes Geräusch.
Da endlich begriff sie, mit welchem Typ Waffe sie es zu tun hatte. Sofort ließ sie sich fallen. Aber der Bursche drückte noch nicht ab, sondern ließ die Waffenmündung mitwandern. Da endlich hatte Nicole ihren Hammer ebenfalls zurückgezogen.
Dabei den Abzug aber nicht losgelassen. Der Druckpunkt war kaum zu erahnen, und da krachte der Schuß auch schon. Der ohrenbetäubende Lärm drohte ihr die Trommelfelle zu zerreißen. Die Waffe ruckte fürchterlich in ihrer Hand.
Der Fremde schoß jetzt. Nicole sah die grelle Stichflamme aufzucken. Etwas Heißes pfiff haarscharf an ihrem Ohr vorbei.
Nicole zog den Hammer wieder zurück. Klickend wurde die Trommel weitergedreht. Jetzt wußte sie, worauf sie zu achten hatte. So gut sie konnte, zielte sie auf die Hand des Mannes.
Bloß ist die Treffsicherheit eines Colts der damaligen Zeit bei weitem nicht mit der einer modernen Waffe zu vergleichen. Der alte Spruch, sich dem Gegner soweit zu nähern, daß man das Weiße in seinem Auge sieht, stammt aus jener Zeit und hatte damals durchaus seine Berechtigung, weil auf dreißig Schritt Entfernung gerade noch mit viel Mühe und Glück ein Scheunentor zu treffen war.
Nicole traf nicht die Hand, sondern die Brust. Der Kugeleinschlag warf den Mann förmlich zurück und in die Schußbahn des anderen, der inzwischen zu sich selbst zurückgefunden und seine Waffe gezogen hatte.
Nicole spannte wieder und richtete die Waffe auf den zweiten Mann, der die gleiche Bewegung durchführte.
»Laß fallen, Mister«, schrie Nicole.
Doch der Mann lächelte nur. Eiskalt rechnete er sich seine Chancen aus, und die standen gut. Er merkte nur zu deutlich, daß Nicole mit ihrer Waffe absolut nicht umgehen konnte.
Er ließ nicht fallen.
Er drückte ab.
***
Zamorra sah, daß etwas von der Flurdecke herunterkam und gezielt auf ihn zujagte: die Deckenlampe! Unwillkürlich warf er sich zur Seite, aber das vertrackte Ding änderte im Sturz den Kurs. Er konnte gerade noch schützend die Arme vor dem Gesicht kreuzen, als die Lampe traf und zerschellte.
Zamorra spürte den Hauch schwarzer Magie um sich herum.
Schnell sah er sich um. Nichts! Teri kam vorsichtig herein.
»Hier geht’s rund, sagte der Spatz und flog in den Ventilator«, sagte Zamorra. Die Geräusche, die er draußen hörte, kamen hinter der nächsten Tür her. Er ging darauf zu, jeden Moment mit einem Angriff rechnend.
Doch der Angriff kam aus einer unerwarteten Richtung.
Aus dem im Flur hängenden Spiegel! Zamorras Spiegelbild ließ plötzlich die Arme vorzucken, griff zu und wollte den Meister des Übersinnlichen in diesen Spiegel hineinreißen!
Er schrie auf, stemmte sich dagegen. Teri packte zu, wollte ihn festhalten. Aber die fremde Kraft war stärker.
Zamorra verschwand im Spiegel!
Aber etwas ging dabei schief.
Das Amulett ließ sich nicht hinüberzerren in die Spiegelwelt! Und weil es vor Zamorras Brust hing und vorgeschoben wurde - zertrümmerte es den Spiegel im gleichen Moment, als Zamorra darin verschwand!
Unzählige Splitter regneten auf den Teppich.
Teri schrie auf. In einem der Splitter sah sie Zamorra gegen sich selbst kämpfen! Und im nächsten Splitterstück ebenfalls!
Das Grauen griff nach ihr. Ihre Augen weiteten sich. Sekundenlang hatte sie noch gehofft, mit Hilfe ihrer Druidenkraft etwas ausrichten zu können. Aber das wurde jetzt illusorisch. Zamorra war verloren.
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