0242 - Werwolf-Terror in Soho
Arbeitsscheuen. Jill war erst 24, aber das harte Leben hatte Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Sie sah aus wie über 30, nur ihre Figur, die konnte sich noch sehen lassen, und manchmal, wenn das Geld überhaupt nicht reichte, was ihr Mann ihr auf den Tisch legte – das meiste vertrank er selbst –, dann ging sie in die City von London und verdiente sich mit ihrem Körper ein paar Scheine nebenbei.
Geschäftsleute wußten eben ihren Körper zu schätzen.
Sie rannte.
Automatisch bewegte Jill die Beine. Sie wußte auch nicht, wohin sie lief, im Prinzip war es ihr egal, sie wollte nur weg von ihrem Mann.
Der Nebel und die Tränen hatten einen feuchten Film auf ihre Haut gelegt, ihr Gesicht war verzerrt, das braune Haar flatterte strähnig um ihren Kopf, und sie lief weiter, ohne darauf zu achten, daß sie Straßen überquerte, die auch noch befahren waren.
Manchmal huschte sie dicht vor den Kühlerschnauzen der Wagen her, sie hörte auch das seltsam dumpf klingende Hupen, nahm die Geräusche jedoch kaum wahr.
Jill McCormick hatte andere Sorgen.
Sie merkte überhaupt nicht, daß sie die Straße verlassen hatte und über weichen Rasen lief. Jill hatte einen kleinen Park erreicht. Von den Bäumen war nur etwas zu ahnen, dunkle, gefährlich aussehende Wesen, die innerhalb des grauen Nebels einen drohenden Eindruck machten.
Aber ihre Schritte wurden langsamer. Das schnelle Rennen hatte sie ungemein viel Kraft gekostet, sie kam einfach nicht mehr richtig von der Stelle, die Füße schleiften über den Boden, der Kopf fiel nach vorn, der Atem drang hektisch aus ihrem weit geöffneten Mund, und aus den Augen stürzten wieder die Tränen.
Dann sah sie das Licht.
Ein schwebender, heller Kopf im. Grau des Nebels. Unheimlich anzusehen, geisterhaft, und als sie näherkam, sah sie an ihrer rechten Seite einen langen Schatten, der vor ihr innerhalb der Nebelsuppe verschwand. Automatisch tastete sie nach dem Schatten und spürte unter ihren Fingern das kalte feuchte Gestein.
Das Licht in der Luft wurde klarer. Ein Beweis, daß sie die Laterne erreicht hatte. Jill legte den Kopf in den Nacken, holte tief Luft und starrte in die Höhe.
Gelblich schimmernde Schwaden umwallten die Laterne, die sich nicht aus einer, sondern aus drei Leuchten zusammensetzte. Sie bestanden aus Glas und besaßen an ihrem Kopfteil einen metallenen Aufsatz.
Irgendwie gab ihr das Licht eine gewisse Geborgenheit. Sie wußte selbst nicht, wie das kam, aber sie fühlte sich ein wenig wohler, obwohl sie noch immer erschöpft war und das Herz hart in ihrer Brust klopfte. Auch der Magen schien gewandert zu sein. Jill hatte das Gefühl, als müßte sie sich jeden Moment übergeben.
Eine Hand hielt sie um den Laternenpfahl geklammert, der andere Arm schlenkerte hin und her. Trotz der Kälte und des dünnen Kleides, das sie trug, war sie geschwitzt, doch der nasse Film auf ihrer Haut kühlte sehr schnell ab, und Jill begann zu frieren.
Es mündete in einem Zittern. Jill stand da und klapperte mit den Zähnen.
Und sie hatte Angst!
Im Augenblick brauchte sie sich nicht zu fürchten. McCormick war, nachdem er sie geschlagen hatte, wie ein Stück Holz auf das alte Bett gefallen und eingeschlafen. Sie hatte schon daran gedacht, ihm den Schädel einzuschlagen, damit die Qual endlich vorbei war, aber sich zu so etwas zu überwinden, besaß sie nicht die Kraft. Sie rächte sich an ihrem Mann, wenn sie ihn betrog. Das gab ihr dann ein wenig Genugtuung.
Für eine Weile hörte sie nur ihren eigenen Atem. Auch der beruhigte sich wieder, und als er so ziemlich normal geworden war, gelang es ihr auch, sich wieder auf die Geräusche in ihrer unmittelbaren Umgebung zu konzentrieren.
Und da hörte sie etwas.
Schritte!
Dumpf klangen sie im Nebel. Was sie sonst nicht einmal erschreckt hätte, bekam hier einen unheimlichen und gefährlichen Beigeschmack. Einer Täuschung war Jill nicht erlegen. Sie hatte sich wieder so weit konzentrieren können, daß es tatsächlich Schritte waren, die da an ihr Ohr drangen.
Abermals lief es ihr kalt den Rücken hinab. Wer schlich da im Nebel auf sie zu?
War es ihr Mann? Hatte er sie dennoch verfolgen können, obwohl sie so gerannt war?
Eine Antwort konnte sie sich nicht geben, denn sie sah nichts außerhalb der tanzenden, wogenden Schleier.
Jill McCormick löste ihre Hand von dem Laternenpfosten und duckte sich ein wenig. Die Augen hielt sie weit geöffnet, um möglichst viel sehen zu können.
Die Schritte verstummten.
Hatte
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