0245 - Verdammt und begraben
mitgenommen. Der Griff nach der Beretta war automatisch erfolgt, weil ich diese Pistole sonst immer nahm. Jetzt steckte ich die Beretta wieder weg und holte die andere, etwas klobig wirkende, dafür fast lautlos schießende Waffe hervor.
Sie war speziell für Vampire gedacht.
Die Eichenbolzen – vorn zugespitzt – töteten die Blutsauger auf der Stelle, wenn man ins Herz oder zwischen die Augen traf.
»Sollen wir hoch?« wisperte Suko.
»Wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben«, erwiderte ich ebenso leise.
Da wurde neben uns die Tür geöffnet. Der Bürgermeister verließ das Zimmer und hob die Schultern. Sein Gesicht zeigte ebenfalls Ratlosigkeit an.
»Nichts, sie sind beide nicht zu sehen.« Er kratzte sich am Kopf.
»Das verstehe ich nicht. Soll ich mal nebenan in der Schmiede nachfragen? Der Gehilfe müßte wissen, wo…« Er verstummte, denn wie auch wir hatte Mircas Schritte gehört.
Nicht auf derselben Etage, sondern über uns, wo die Treppe in der Düsternis verschwand.
Dort hielt sich jemand auf.
Der Bürgermeister hatte den Mund geöffnet, wollte etwas sagen, sah dann allerdings auf meine Pistole und wurde noch bleicher, als er ohnehin schon war.
Er stellte keine Fragen.
Suko ging ein wenig zur Seite. Er zog die Beretta. Dabei baute er sich so auf, daß er schräg die Treppe hochschauen konnte, und ich drückte den Bürgermeister zurück.
»Bleiben Sie hinter mir!«
»Was ist denn geschehen?«
»Werden wir gleich feststellen!«
Die Schritte klangen nicht mehr so dumpf, sie waren lauter geworden, ein Zeichen, daß sich jemand der Treppe näherte. Im Haus gab es sonst keine Geräusche mehr, nur aus der Schmiede hörten wir nach wie vor das helle Hämmern des Hammers.
Mir war überhaupt nicht wohl zumute, denn ich ahnte Schreckliches und hoffte, daß ich es nicht bestätigt bekam.
Dann waren die Schritte auf der Treppe zu vernehmen. Noch dumpfer klangen sie, denn unter den Stufen befand sich ein Hohlraum.
Wir warteten.
Eine Sekunde verstrich, die zweite…
Dann sahen wir die Füße. Jetzt wußte ich auch, weshalb die Schritte so hohl geklungen hatten, die Person, die die Treppe hinunterkam, trug Holzschuhe.
Aber keine Hosen.
Es war eine Frau. Schon erkannten wir den Rocksaum, die Wollstrümpfe an den Beinen, sahen eine Schürze und die dunklen Flecken darauf.
Blut!
Mein Gott, ich bekam schreckliche Angst, daß sich mein Verdacht bewahrheiten würde.
Es hatte nicht Frantisek Marek erwischt, sondern…
Die nächsten Schritte.
Jetzt sahen wir sie.
Es war Marie, die Frau des Pfählers. Ihre rechte Gesichtshälfte war blutbeschmiert, jemand mußte sie dort mit einem scharfen Gegenstand attackiert haben. Auch in den grauen Haaren klebte das Blut.
Dennoch lebte die Frau.
Denn sie war – ein Vampir!
***
Das Bild war grauenhaft. Wir hatten alle drei nicht damit gerechnet und bekamen einen Schock. Die blutbeschmierte rechte Gesichtshälfte stand im krassen Gegensatz zu der linken, deren Haut bleich schimmerte. Und zwischen den beiden Gesichtshälften, im unteren Drittel, da stand der Mund offen, und die beiden spitzen Vampirzähne schauten hervor. Sie erinnerten mich an winzige Dolche, aber sie waren in ihrer Wirkung gefährlicher als diese Waffen.
Für uns wurden es die schrecklichsten Sekunden einer schlimmen Wahrheit. Marie Marek stand auf der Treppe und schaute uns starr an. Ich weiß nicht, ob sie uns erkannte, wahrscheinlich nicht, denn all ihr Sinnen und Trachten zielte darauf ab, das Blut eines Menschen zu trinken. Sie als Vampir brauchte es, um überleben zu können.
Während Suko und ich vor Grauen stumm waren, konnte sich der Bürgermeister neben uns nicht mehr halten. Er stöhnte vor Angst und Entsetzen. Aus seinem Mund drangen Laute, die man schon nicht mehr mit dem Wort menschlich umschreiben konnte.
Ohne uns abgesprochen zu haben, taten Suko und ich das gleiche.
Wir drängten den Mann zurück, damit er uns nicht mehr im Weg stand, denn nun galt es, das untote Wesen vor uns zu bekämpfen.
Mirca ließ sich schieben wie eine Puppe. Er lehnte sich gegen die Wand und behielt den Mund offen. Sein Atmen drang wie ein schweres Rasseln über die spröden Lippen.
»Mach du, John«, flüsterte Suko und deutete mit dem Kopf auf meine Pistole.
Es war die Bolzenwaffe. Ich hatte lange nicht mehr mit ihr geschossen und hoffte, nichts mehr verlernt zu haben.
Nach dieser schaurigen Entdeckung waren vielleicht vier, fünf Sekunden vergangen. Wenn man selbst an solchen
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