0245 - Verdammt und begraben
Eine fast unüberwindlich scheinende Gebirgskette, der selbst der Schnee in den oberen Lagen kaum etwas von der Düsterkeit nehmen konnte. Zu viele Geschichten rankten sich um dieses Gebiet. In den langen Winterabenden wurden Sagen und Legenden erzählt, und der unheilige Geist des Grafen Dracula war immer gegenwärtig. So einfach ließ sich eine düstere Geschichte nicht abschütteln.
Aber Dracula war tot.
Er existierte nicht mehr, dafür gab es andere. Gefährliche und düstere Menschen, die man auch als Vampire bezeichnete und die in finsteren Burgen, einsamen Bergfriedhöfen und Ruinen hausten.
Manche schliefen auch in alten Särgen tief unter der Erde. Niemand wußte so recht, wo sie sich verbargen, aber wenn der Blutdurst sie überfiel, dann stiegen sie aus den Grüften, Verliesen und Särgen, um auf Beutejagd zu gehen.
Kein Mensch war zu dieser Zeit vor ihnen sicher.
Im Schütze der Nacht gingen sie ihrem grausamen Trieb nach.
Manchmal sah man ihre Augen leuchten, dann loderte die Gier nach Menschenblut, und die Einwohner in den kleinen Bergdörfern hängten Knoblauch vor ihre Fenster, zündeten Kerzen an und umklammerten im Bett liegend die einfachen, aber geweihten Holzkreuze.
Es gab nur wenige Menschen, die sich gegen den Vampirterror auflehnten. Zu diesen gehörte Frantisek Marek, der Pfähler. Er kämpfte bereits sein ganzes Leben lang gegen die Blutsauger, denn er hatte ein großes Erbe übernommen.
Er war ein Marek!
Und alle Mareks hatten sich in der Vergangenheit gegen die Vampire gestellt. Sie besaßen eine gute Waffe, den alten Eichenpfahl, der ebenfalls die Jahrhunderte überdauert hatte.
Dieser Pfahl sorgte dafür, daß manchem Blutsauger ein schreckliches Ende bereitet wurde.
Besonders im Herbst und Winter gingen die Mareks auf Jagd.
Dann lagen die dichten grauen Nebelwolken in den Tälern, verbargen das Böse, aber die Vampirjäger sorgten dafür, daß es hochgeschreckt und oft vernichtet wurde.
Frantisek Marek war der letzte seiner Generation. Er besaß keinen Sohn mehr, dem er den Eichenpfahl vererben konnte. Die 60 hatte er schon erreicht und er war ehrlich genug, sich einzugestehen, daß er nicht mehr lange auf die Jagd nach Blutsaugern gehen konnte. Allmählich machte sich auch bei ihm das Alter bemerkbar. Die Frische der Jugend war dahingeschwunden, doch unerschütterlich ging er seiner ihm zugedachten Aufgabe nach.
Längst hatten sich tiefe Falten in das Gesicht gegraben. Die Spuren des Lebens waren darin zu sehen, sein Haar war ebenso weiß geworden wie der Schnauzer auf seiner Oberlippe.
Marek ging gebeugt, als würde er eine schwere Last auf den Schultern tragen. Noch immer betrieb er die Schmiede in Petrila, er hatte auch gut zu tun, aber er überließ die meiste Arbeit seinem neuen Gehilfen, damit er, Marek, sich um seine eigentliche Aufgabe kümmern konnte.
Es war ihm gelungen, sich einen Wagen zuzulegen. Mit diesem fahrbaren Untersatz war er beweglicher, und wenn es irgendwo »brannte«, wenn es Spuren gab, die auf eine Aktivität eines Blutsaugers hindeuteten, dann konnte er ihnen schnell nachgehen und brauchte nicht auf die Busse zu warten, die zweimal am Tag fuhren und im Winter manchmal überhaupt nicht kamen.
Gebraucht hatte er sich den Fiat Lada gekauft, und mit ihm war er wieder unterwegs. Er wollte einen Bekannten besuchen, der als Köhler tief im Wald arbeitete.
Auch diese Berufe gab es noch in Rumänien, wenn sie auch allmählich ausstarben.
Er mußte ungefähr 15 Kilometer fahren, um dorthin zu gelangen, wo der Köhler hauste. Auf der Autobahn riß man diese Strecke schnell ab, aber in den Karpaten gab es keine Autobahnen, sondern nur Wege.
Von Petrila aus nahm Marek die Hauptstraße. Das sagten die Bewohner immer zu dem Weg, weil er ein wenig breiter war als die anderen, die sich an den Flanken der Berge hochwanden.
Geschneit hatte es nur weiter oben. Hin und wieder, wenn der Wald zu beiden Seiten lichter wurde, dann konnte er den Schnee sehen, wie er als eine weiße Schicht auf den Tannen lag und sich auch an den Hängen ausgebreitet hatte.
Marek mußte vorsichtig fahren. Auf der Straße lagen die fauligen Blätter, sie waren feucht, klebten zusammen und bildeten eine regelrechte Rutschbahn.
Der alte Marek fuhr sehr konzentriert.
Den Pfahl hatte er ebenfalls mitgenommen, er lag auf dem Beifahrersitz.
Es war Nachmittag. Die ersten Nebel bildeten sich bereits. Vom Tal her stiegen sie hoch. Gewaltige graue Wolken, die schon bald ganz die Sicht auf
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