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0249 - Die Stunde der Bestien

0249 - Die Stunde der Bestien

Titel: 0249 - Die Stunde der Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Stunde der Bestien (2 of 2)
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Requisiten. Plötzlich brach im Zelt ein Schrei aus, der mir das Blut in den Adern stocken ließ. Es war der in einem Sekundenbruchteil anschwellende Schrei einer großen Menge von Menschen, die Zeuge eines entsetzlichen Ereignisses wird. Der Schrei stieg auf eine steile Höhe und brach schlagartig ab. Die Stille dahinter wirkte doppelt tief. Ich warf mich herum. Jesse Jones stand vor einem Spalt im Zwischenvorhang und rief leise
    »Das Seil ist gerissen. Beel ist ab gestürzt!«
    ***
    Die Manegenwache lief mit einer Trage in die Mitte. Noch immer hörte man vereinzelt die entsetzten Rufe einiger Frauen aus dem Publikum. Ein paar Sekunden lang blieb selbst die Kapelle stumm, unschlüssig, ob es angemessen sei, nach einem solch furchtbaren Ereignis Marschmusik zu spielen, aber dann rief der Spanier seine Leute zur Ordnung, und gleich darauf setzte die Kapelle mit erhöhter Lautstärke ein.
    Aus dem Publikum drängten sich zwei Männer vor in die Manege. Sie gaben sich als Ärzte aus und wurden durch die im Nu gebildete Kette der Manege-Diener eingelassen.
    Unterdessen hatte Jones auf der einen, Tec-Man White auf der anderen Seite den Vorhang, der die Manege vom Zwischengang trennte, aufgerissen. Direktor Johnson erschien kreidebleich, sah sich flüchtig um und bellte.
    »Clowns in die Manege.«
    Es war einer der Notrufe im Zirkus. Clowns in die Manege, das bedeutete so etwas wie die Notbremse bei der Eisenbahn. Beppo watschelte los, verzog sein grell geschminktes Gesicht, nahm sein Ungetüm von einem Hut ab und versicherte mit krähender Stimme.
    »Er hat Glück gehabt, Ladies und Gentlemen. Der Arzt sagt, jetzt würde er endlich Gelegenheit haben, drei Wochen Urlaub zu machen. Aber so heruntergekommen habe ich noch keinen gesehen.«
    Das erste zaghafte Lachen klang auf. Beppo watschelte auf einen Zuschauer zu, der dick, behäbig und selbstzufrieden, dass er auf seine Kosten gekommen war, in einer der teuersten Logen saß.
    »Wenn Sie noch einmal so laut husten, dass unser Seiltänzer runterfällt, dann schmiere ich Ihnen eine«, versicherte Beppo mit einem Gesicht, das todernst sein sollte und wie die Verkörperung eines im Gesicht gefrorenen Gelächters wirkte.
    Das Publikum ging schon stärker mit. Ich atmete tief aus, drehte mich um und wandte mich dem Verletzten zu, dessen Trage jetzt im Zwischengang stand. Die beiden Ärzte knieten daneben und raunten sich lateinische Worte zu. Offenbar waren Sie sich noch nicht ganz einig.
    Der Vorhang zur Manege hin war geschlossen worden. Stallburschen standen mit verstörten Gesichtem herum. Die Artisten, die auf ihren Auftritt gewartet hatten, zeigten Spuren von Nervosität. Ich entdeckte Jack Miller unter den Stallburschen, gab ihm mit den Augen einen Wink und raunte ihm zu, als er dicht an mir vorbeiging: »Kümmere dich um das Seil.«
    Er nickte flüchtig und schob sich durch die Vorhanglücke nach draußen in die Arena. Stallmeister Ralley tauchte aus dem mittleren Zelt auf und rief die Arbeiter mit leiser, aber energiegeladener Stimme zu sich. Irgendwo sah ich Phils Gesicht für einen flüchtigen Augenblick auf tauchen und wieder verschwinden.
    Die beiden Ärzte standen auf. Ich sah das unnatürlich verdrehte Bein auf der Trage und das schweißübersäte Gesicht des Gestürzten
    »Na?«, raunte Johnson die beiden Ärzte an.
    »Bruch im rechten Oberschenkel, starke Quetschungen, vielleicht auch Brüche in den linken Rippenpartien, Bluterguss im rechten Arm. Das ist alles, was man bei so einer flüchtigen Untersuchung sagen kann.«
    »Lebensgefahr?«, wollte Johnson wissen.
    Die Ärzte erklärten lang und ausführlich, dass eine solche Gefahr nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden könne, dass aber berechtigte Hoffnung bestehe… usw. Ich wandte mich ab und stellte mich so, dass ich die Manege durch die Vorhanglücke im Auge behalten konnte.
    Inzwischen war auch der Liliputaner in einem zierlichen Frack hinausgeeilt und unterstützte Beppo bei seinem improvisierten Programm.
    Frauenstimmen kreischten vergnügt. Männer lachten oder schmunzelten, je nach ihrem Temperament. Ein paar Kinder amüsierten sich aber über Kostümierung und Gehabe der beiden ungleichen Männer.
    Ich blickte über meine Schulter zurück. Eve Johnson war auf einmal auch im Zwischengang. Sie hatte einen schweren Verbandskoffer in der Hand und stellte ihn neben der Trage ab. Einer der beiden Ärzte hatte ein Etui aus seiner Manteltasche gezogen und brach gerade einer Ampulle die Spitze ab. Der

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