025 - Die toten Augen von London
brauchst. Er ist in der Geschäftswelt ganz gut angesehen. Sein Bruder soll sehr leichtsinnig gewesen sein, wie ich gehört habe. Beinahe sämtliche Aktien der Greenwich-Versicherungsgesellschaft sind Familienbesitz. Die Brüder haben die Aktien von ihrem Vater geerbt und brachten das Geschäft, das damals als wenig sicher angesehen wurde, auf die jetzige Höhe. Es ist auch heute keine bedeutende Gesellschaft, doch hat sie der Gefahr, von den großen Versicherungskonzernen aufgeschluckt zu werden, zu widerstehen vermocht. Das beweist Charakter und Standfestigkeit, die ich bewundern muß.«
»Ich habe heute nacht die Aufsichtsratsliste durchgesehen«, erwiderte Larry. »Sie ist im Börsenjahrbuch publiziert. Ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen. Weißt du, daß John Dearborn auch Direktor der Gesellschaft ist?«
»Dearborn, der Theaterschriftsteller? Nein, das wußte ich nicht. Selbstverständlich werden die Direktoren der Gesellschaft von Judd bestimmt und eingesetzt. Man erzählt, daß er eine Reihe von wohltätigen Stiftungen unterstützt, und das Heim, in dem Dearborn Vorsteher ist, unterhält er ja offensichtlich ganz allein. Vielleicht ist dieser Direktorposten einfach eine interne Verrechnungssache.«
»Das habe ich mir auch überlegt. Wer ist jedoch Walters?«
»Kenne ich nicht.«
»Ebenfalls ein Direktor der Gesellschaft - auch so ein bezahlter Ehrenposten, wie ich annehme. Und Cremley? Ernest John Cremley aus Wimbledon.«
»Der ist ganz sicher nur eine dekorative Figur«, lachte Sir Hason. »Ich kenne ihn oberflächlich. Ein Mann mit sehr wenig Kopf, dafür um so versessener auf Karten.«
»Diese beiden sind außerdem Direktoren des Macready-Theaters.«
»Und was schließt du aus alldem?« fragte der Kommissar.
»Was ich daraus schließe? Daß Judd das Theater, In dem Dearborns Stücke aufgeführt werden, unter seiner Kontrolle hat, daß also zwischen Judd und dem Leiter des Blindenheims in Paddington eine enge Verbindung besteht.«
Sir Hason überlegte lange, bevor er antwortete.
»Ich kann dabei noch nichts Ungewöhnliches finden. Dearborn ist durch die Umtriebe des blinden Jake doch selbst in Mitleidenschaft gezogen, und Judd, der den Namen seines Bruders rein halten wollte, hat nach deinen Rapporten, und wenn wir Flimmer-Fred einmal aus dem Spiel lassen ... Teufel noch mal, was - !«
Der konsternierte Ausruf des Kommissars war sehr berechtigt, denn Larry hatte plötzlich sein Pferd herumgerissen und sprengte jetzt in scharfem Galopp quer durch den Park, ohne auf das gefährliche Gelände zu achten.
Der Mann im Gebüsch hörte den Galopp der Hufe und jagte in wilder Flucht zum Parktor und auf die Straße hinaus. Das Tor war an dieser Stelle so schmal, daß Larry nicht hindurchreiten konnte. Er sprang ab, überließ das Pferd seinem Schicksal und eilte auf die Straße. Doch sah er weiter nichts als ein Auto, das sich rasch nach Westen entfernte. Vergeblich hielt er nach einem Taxi Ausschau, zuckte die Achseln, fand sein Pferd wieder und trabte langsam zu John Hason zurück.
»Was, zum Teufel, ist in dich gefahren?« fragte der Kommissar.
»Schade, daß ich keinen Revolver gehabt habe! Der blinde Jake auf seinem morgendlichen Gesundheitsspaziergang, während sein Wagen wartete, um ihn, wie es sich für eine solche Persönlichkeit gehört, wieder nach Hause zu fahren.«
30
Als er nach Hause zurückkam, saß Diana bereits am Frühstückstisch. Er erzählte ihr von seiner Jagd im Park.
»Muß man daraus nicht schließen«, fragte sie, »daß er sich nicht mehr im Heim oder in der Wäscherei verborgen hält? Das Haus wird doch immer noch bewacht?«
»Auf beiden Seiten, aber es gibt sicher noch eine Reihe von Ausgängen. Tatsache ist, daß er einen Morgenspaziergang machen kann, den seine Auftraggeber überdies für so wichtig halten, daß sie ihm ein Auto zur Verfügung stellen. Dies deutet doch darauf hin, daß er tagsüber eingeschlossen sein muß.«
Sie waren allein, da die Pflegerin und Anstandsdame ihre Toilette noch nicht beendet hatte.
»Ich weiß wirklich nicht, wie dieser Fall einmal erledigt wird, Diana«, begann Larry nach einer kurzen Pause, »und es ist jetzt vielleicht nicht der richtige Augenblick, um Ihnen zu sagen, was ich - hm, was ich gerne sagen möchte, aber - aber, Diana, wenn der Fall wirklich einmal abgeschlossen ist, mochte ich nicht, daß Sie weiter im Präsidium bleiben.«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie mit mir nicht zufrieden sind? Als
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