025 - Die Treppe ins Jenseits
verwickelt wurde. Ebenso hatte er dort eine Kleinbildkamera deponiert
und eine Taschenlampe. Die nahm er ebenfalls mit.
John Hawkins kehrte in den Stollen zurück und stieg in den oberen. Wie bei
einem Labyrinth verbreiteten sich nach allen Seiten kleinere und größere
Tunnel. Hier musste er nochmal aufpassen und machte sich große Zeichen an die
Felswände, um bei der Rückkehr aus dem Gewirr der Gänge nicht die falsche
Richtung einzuschlagen.
Er kam gut voran. Der Stollen war frei, und alles wies darauf hin, dass
andere vor ihm hier gewesen waren. Aber das konnte schon sehr lange
zurückliegen. Der dicke, unberührte Staub, die primitiven Abstützbalken, die
lose aufeinander geschichteten Steine – das alles wies auf ehemalige Besucher
hin.
John Hawkins geriet schnell wieder in den Hauptstollen. Insgesamt musste er
dreimal weiter hochklettern und einmal wieder eine Etage tiefer. Zu diesem
Zweck stand sogar eine primitive, grob zusammengezimmerte Holzleiter an der
Felswand.
Davon hatte Callaghan kein Wort gesprochen!
Hatte der alte Lord das absichtlich verschwiegen? Wenn es so war, dann
würde das bedeuten, dass er mehr wusste, als er zugab!
John Hawkins sah seine Aufgabe, die er sich vorgenommen hatte, in einem
doppelten Sinn. Der Unfall gefiel ihm nicht, der sah nach Mord aus, und die
Sache mit dem Baynes'schen Besitz passte ihm ebenso wenig. Für ihn hing das eine
mit dem anderen zusammen, aber darüber konnte er zu keinem Menschen einen
Verdacht äußern. Er würde sich – bei der Stellung, die er bekleidete –
lächerlich machen.
Erst musste er handfeste Beweise haben.
Er ging in die Hocke und prüfte mit der Rechten den Halt der Leiter. Die
Sprossen waren mit dicken Tauen und darunter genagelten Klötzen befestigt.
Er stemmte sich darauf, um die Haltbarkeit zu testen.
Dann ließ er den Strahl der Taschenlampe in den Kessel gleiten. Dort
hinunter musste er, es half alles nichts. Gleich nach diesem beckenförmigen
Einlass schloss sich der Stollen an, der genau auf den Punkt stieß, hinter dem
die berühmt-berüchtigte vierzehnte Stufe lag.
Vorsichtig und darauf gefasst, sofort zu reagieren, wagte er den Abstieg
über die Leiter. Sie ächzte, und manchmal rutschte eine Sprosse unter seinem
Gewicht merklich tiefer. John Hawkins hielt den Atem an. Mit dem Abstieg
überwand er eine ansehnliche Höhe, und es wäre mehr als unangenehm gewesen,
jetzt zu verunglücken und vielleicht liegenzubleiben.
Aber der Abstieg ging gut. John Hawkins wandte sich sofort dem
Stolleneingang zu. Der lag etwas tiefer als die anderen, durch die er bis jetzt
gekommen war. Einen Moment lang war er unaufmerksam. Er zog den Kopf nicht tief
genug ein. Ein Balken hing zu niedrig. Gegen den knallte er mit der Stirn. Sein
Schädel dröhnte. »Verdammt«, fluchte John Hawkins. Er taumelte und musste sich
an einem Balken stützen. Sand rieselte herab. Und Holzmehl. Etwas knirschte. Es
hörte sich an, als ob jemand den stützenden Balken wegreißen würde.
John Hawkins lief es siedendheiß über den Rücken.
Instinktiv wollte er sich herumwerfen und aus dem Stollen jagen. Aber er
schaffte es nicht mehr.
Steine und Holz brachen herunter. Ein ungeheurer Lärm folgte wie ein
Donnerschlag. John Hawkins wurde förmlich nach vorn gerissen. Eine Balkenhälfte
rutschte auf seine Schulter und traf ihn wie ein Hammerschlag.
John Hawkins stürzte. Sand und Steine bedeckten ihn.
Er streckte seine Hände aus, um unter dem Schuttberg wegzurobben. Vor seinen
Augen begann sich alles wild zu drehen. Der aufgewirbelte Staub drang in seine
Lungen. Er hustete schwach, die Luft blieb ihm weg. Plötzlich wurde alles
schwarz um ihn herum.
Seine rechte Hand krallte sich in den Boden, aber seine Fingerspitzen
berührten noch etwas anderes.
Sie stießen gegen einen menschlichen Fuß, der dort stand und an dem kein
Fetzen Fleisch mehr haftete!
Vor John Hawkins stand aufrecht ein Skelett in der Finsternis und ein
zarter Nebelschleier – wie sichtbar gewordener Atem der makabren Gestalt –
wehte über die Unfallstelle.
3. Kapitel
Die Sonne versank im Westen als ein riesiger, dunkelrot verschwommener
Ball. Nebelschwaden stiegen vom Meer hoch und hüllten die Felsklippen ein. Die
Brandung schlug donnernd gegen die Steilufer.
Der dunkelgrüne Mercedes 300 fuhr über die steil aufwärts führende Straße,
die in die Kreidefelsen hineinführte. In Serpentinen schlängelte sich die
Straße in die Höhe.
Dann folgte eine lange gerade
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