025 - Die Treppe ins Jenseits
Unsinn
gewesen. Orwin glaubte nicht an Mächte, die man nicht sah. Er lebte im
zwanzigsten Jahrhundert – und nicht mehr im achtzehnten. Der letzte Spross der
Callaghans jedoch, der Edward Baynes dieses Anwesen verkauft hatte, schien von
dem Unheil, das irgendein rätselhaftes Vorkommen in seiner Familie auf diesem
Grund und Boden ausgelöst hatte und bis in den heutigen Tag nachwirkte,
vollkommen überzeugt zu sein.
Orwin hielt dies alles für überspannt.
Das schleifende Geräusch auf der Terrasse hinter sich vernahm er zunächst
gar nicht. Dann aber fühlte er, dass etwas in seiner Nähe war und blickte sich
um.
Seine Augen weiteten sich. Zunächst war es Erstaunen, Nichtverstehen – dann
wandelte es sich in Furcht und Schrecken.
Orwin öffnete den Mund und wolle etwas sagen.
Da fühlte er die starren Hände auf seiner Brust. Er verlor das
Gleichgewicht – und stürzte in die Tiefe. Sein langgezogener Schrei verhallte
in der Dämmerung. Sein Körper überschlug sich und berührte die vierzehnte Stufe
mit dem schwarzen Kreuz. Doch das fühlte Orwin schon nicht mehr. Sein Körper
zerschmetterte auf den Klippen. Die Brandungswellen spülten das Blut weg und
rissen ihn wie eine Puppe mit.
Orwin Baynes' Augen waren noch immer vor Entsetzen weit aufgerissen. Die
Furcht, das Entsetzen und das Erstaunen stand noch in der unendlich erweiterten
Iris zu lesen.
Er hatte etwas gesehen, was seinen Verstand an den Rand des Wahnsinns
gebracht hatte. Doch er hatte keine Gelegenheit mehr, das Unheimliche
mitzuteilen.
Larry steuerte Eves hellbeigen Rolls
Royce.
Die junge Frau saß neben Larry auf dem Vordersitz. Im Fond des Wagens saßen
Schwester Gila und die dunkelhaarige Janett Baynes. Janett summte ein Lied vor
sich hin. Schwester Gila, eine korpulente, sehr mütterliche Frau mit frohem
Gemüt und einem ständigen Lächeln auf den Lippen, tätschelte beruhigend Janetts
schlanke, blasse Hände.
Janett war hübsch. Sie hatte die großen, hellblauen Augen ihrer Schwester
Eve, das schmale, blasse Gesicht, dem jedoch ein infantiler Zug anhaftete, so
dass Janett jünger aussah als ihre Schwester.
Schwester Gila hatte alle notwendigen Präparate in einer Tasche ständig
griffbereit, um ihr im Notfall eine Injektion geben zu können. Janett verfiel
leicht in Unruhe, während sie andererseits stundenlang auf einem einzigen Platz
sitzen konnte, ohne sich zu regen. Doch von einem Augenblick zum anderen konnte
sich ein solcher Zustand – wie ein Blitz aus heiterem Himmel – ändern.
Janett Baynes war nicht gemeingefährlich, nur dieser Tatsache war es zu
verdanken, dass sie unter der Aufsicht ihrer Pflegerin das Sanatorium überhaupt
verlassen durfte.
Eve saß still und reglos wie eine schöne Puppe neben Larry auf dem
Vordersitz. Während der Fahrt hatte sie noch keine zehn Worte gesprochen,
sondern war in Gedanken versunken. Sie hatte Janett erklärt, dass ihr Vater nun
tot sei, doch es war fraglich, ob sie das begriffen hatte.
Larry Brent fuhr schnell, aber sicher. Er hatte das Standlicht und die
Nebelscheinwerfer eingeschaltet. Diese einsame, in die Berge führende Straße
ging in Serpentinen in die Höhe. Dann zweigte ein breiter, befestigter
Privatweg ab, ein Weg, der auf das Anwesen führte.
In einem großen Bogen führte diese private Straße rechts auf den Berg
hinauf.
Und da war das andere Auto plötzlich vor ihnen!
Es kam so plötzlich, dass Eve Baynes gar nicht begriff, worum es eigentlich
ging.
Larry Brents geschärftes Aufnahmevermögen registrierte das Geschehen in
Bruchteilen von Sekunden.
Er kam um den Bogen herum, und der grüne Mercedes rollte auf sie zu. Auf
derselben Seite, auf der der Rolls Royce fuhr!
Larry riss das Steuer herum. Der Wagen schoss förmlich auf die linke
Straßenseite hinüber. Eve konnte die Haltegriffe noch fassen, Schwester Gila und
Janett wurden jedoch gegen das Fenster geschleudert.
Wie ein Schemen tauchte der Mercedes neben ihnen auf. Eve schrie
unterdrückt auf. Sie sah das steuerlose Fahrzeug und rechnete damit, dass der
Mercedes sie noch rammen und von dem schmalen Privatweg drängen würde –
Richtung Abgrund!
Larry Brent kam dem linken Straßenrand bedrohlich nahe. Doch in einem
geschickten Lenkmanöver fuhr er praktisch um den Mercedes herum. Um
Haaresbreite rauschte der führerlose Wagen auf der abschüssigen Straße an dem
beigen Rolls Royce vorbei.
Larry trat auf die Bremse, und das Fahrzeug kam in den Stand. Ohne ein Wort
zu verlieren, riss
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