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025 - Die Treppe ins Jenseits

025 - Die Treppe ins Jenseits

Titel: 025 - Die Treppe ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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und die Stimme im
Halbschlaf. Wie aus weiter Ferne drang es an ihr Bewusstsein.
    »Vater!«
    Es war Janetts Stimme! Es gab keinen Zweifel. Eve sah ihre Schwester auf
die Terrasse hinausrennen, sie schien einige Zentimeter über der dunklen,
nebelzerflossenen Erde zu schweben – hing jetzt wie ein dunkler, flatternder
Vogel über der obersten Stufe der Treppe – eine große, giftgrüne Hand schob
sich aus dem Dunkel, stieß gegen ihren Rücken und ...
    »Vaaaater!« Es war ein gellender Aufschrei. Eve Baynes hörte ihn und erwachte.
Ihr bleiches Gesicht glänzte vor Schweiß.
    Das Herz pochte wie rasend, als sie sich langsam aufrecht in ihr Bett
setzte.
    Sie hatte wieder geträumt.
    »Vater!« Die Stimme aus weiter Ferne bahnte sich einen Weg durch die dichte
Nebelmauer.
    Es war wieder Janetts Stimme! Doch es war kein Traum. Traum und
Wirklichkeit hatten sich vermischt.
    Eve warf den Kopf herum, als sie das Geräusch draußen vor dem Haus hörte.
Es war wie ein leises Schleifen, als würde ein schwerer Körper vor ihrem
Fenster vorübergezogen.
    Ihre Handflächen wurden feucht. Eve zog den Rollstuhl näher an ihr Bett,
stellte die Bremsen fest und rutschte langsam auf den Sitz hinüber.
    Sekunden später stand sie vor der Zwischentür und drückte die Klinke herab.
Der kühle Luftzug fuhr wie ein kalter, böser Atem über ihr Gesicht und ihren
kaum verhüllten Körper.
    Janetts Bett war leer!
    Das Fenster stand weit offen, der Vorhang bewegte sich flatternd im Wind.
Eves Augen weiteten sich. Hinter den dichten Nebelschleiern nahm sie eine
Gestalt wahr. Janett! Sie trug das helle Nachtgewand. Es schimmerte als ein
weißer, verwaschener Fleck durch die wogende, fließende Nebelwand.
    Eve Baynes hetzte in ihr Zimmer zurück. Mit kräftigen Bewegungen trieb sie
die Räder des Rollstuhls an.
    Sie hätte Schwester Gila wecken können oder einen der anderen, die hier im
Hause ruhten. Doch sie wollte niemanden stören. Sie waren alle sehr müde, die
Ruhepause tat jedem gut. Die meisten waren schon seit der letzten Nacht um drei
oder vier Uhr auf den Beinen, als die erste Nachricht von Edward Baynes' Tod
eintraf.
    Eve riss den Morgenmantel vom Haken, warf ihn sich über die Schultern,
zerrte eine Decke von ihrem Bett und warf sie sich über die Knie.
    Als Kind hatte Janett schon oft auf diesem ungewöhnlichen Weg durchs
Fenster ihr Zimmer verlassen. Sie schien sich ganz plötzlich daran erinnert zu
haben.
    Eve rollte durch den großen, stillen Wohnraum, erreichte die Haustür und
fuhr hinaus in den düsteren Innenhof.
    »Janett!« Sie rief einmal, zweimal und sah die helle Gestalt im Nebel, die
sich der Terrasse näherte.
    Janett schien sie nicht gehört zu haben. Eve Baynes fasste in die
Greifreifen und trieb den leichten Rollstuhl rasch voran. Die schmalen Reifen
hinterließen deutliche Spuren auf den feuchten Wegen.
    »Janett!« Ihre Stimme hallte hörbar durch den ganzen Hof. Die dunklen,
rohen Mauern schienen sie wie ein Echo zurückzuwerfen. Das donnernde Geräusch
der Brandungswellen erfüllte die Luft um sie herum, und sie wunderte sich, dass
sie überhaupt Janetts Stimme vorhin in ihrem Zimmer gehört hatte.
    Eve Baynes sah für einen Augenblick die helle Gestalt auf der Terrasse,
dann war Janett wieder wie vom Erdboden verschluckt.
    Eve biss sich auf ihre Lippen. Die Wolldecke rutschte von ihren Knien, und
sie machte sich nicht die Mühe, sie aufzuheben. Sie fuhr einfach rasch
drumherum, um Janett wieder in ihr Blickfeld zu bekommen.
    Ihre Schwester schien jetzt vollkommen verwirrt zu sein.
    Eve rollte über die Terrasse. Ein Schauer lief über ihren Rücken, als sie
die schmalen, steilen Stufen sah, vor denen sich der helle Körper vor wenigen
Augenblicken noch gezeigt hatte. War Janett in die Tiefe gestiegen?
    Eve fuhr vorsichtig an die oberste Stufe heran. Nein! Nichts wies darauf
hin. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Die Nähe dieser Treppen erfüllte sie mit
einem Wirrwarr an Gefühlen und Erinnerungen. Es war ihr in diesen Sekunden, als
würde sie noch einmal alles durchleben.
    Sie sah sich auf der obersten Stufe, Schritt für Schritt nach unten gehend.
Es war ein herrlicher Tag. Nicole Mercier war auf dem Anwesen zu Besuch. Sie
begleitete Eve und wurde Zeuge des unheimlichen, tragischen Ereignisses, als
sich Eve auf die vierzehnte Stufe stellen wollte und ausrutschte. Nicole
Mercier griff noch nach ihr – und da war wieder die große, hässliche Hand, die
sich auf ihr Gesicht zu legen schien, und die ihr

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