0256 - Der Höllen-Salamander
eine Stunde absolute Ruhe, vielleicht länger. Ihr werdet fahren müssen.«
»Geht nicht«, sagte Nicole. »Der Tank ist hin. Wir kommen hier nicht mehr weg.«
Teri schluckte. Sie dachte an die Menschen im Dorf und an den Höllen-Salamander, der vielleicht jetzt schon sein Unwesen zu treiben begann. Plötzlich rannen Tränen über ihre Wangen.
»Ich kann es nicht mehr«, flüsterte sie erstickt. »Meine Kräfte sind erschöpft … ich bin am Ende …«
Zamorra schluckte. Er wußte, daß Teri nicht übertrieb. Sie war hart im Nehmen. Wenn sie aber einmal zugab, nicht mehr weiter zu können, dann war sie wirklich am Ende.
Wahrscheinlich brachte ein weiterer zeitloser Sprung sie um.
Keine Chance mehr für die Menschen im Dorf!
***
Leonardo de Montagne pfiff leise durch die Zähne. »Schau an«, murmelte er versonnen. »Wo kommst du liebes Tierchen denn her?«
Er warf seinen Helm und den mit einem Griff zur Schulterspange gelösten Mantel einem Skelett-Krieger zu und schritt langsam zum großen Tor. Der Wolf stand leicht geduckt jenseits der Zugbrücke und witterte in Richtung des Montagne. Seine Augen funkelten im Mondlicht.
»Es gibt also doch noch Wölfe«, sagte Leonardo. Auf den Holzbohlen der Zugbrücke blieb er stehen. Er verspürte keine Angst. Was konnte ihm ein Wolf schon antun? Mit einem einzigen magischen Schlag konnte er ihn töten, wenn er sich bedroht fühlte. Außerdem blieb seine innere Stimme stumm, die ihn vor Gefahren zu warnen pflegte.
Der Wolf drehte sich etwas zur Seite, sah aber immer wieder zu Leonardo. Der Schwarzmagier hob die Hand und ging leicht in die Knie.
»Komm, Wolf«, lockte er. »Komm her zu mir.«
Das Tier drehte den Kopf, machte einen Schritt vorwärts und verharrte wieder. Es starrte Leonardo an. Das Fell über der Stirn sträubte sich ein wenig.
Leonardo grinste schwach. Ein Wolf! Das war genau das, was ihm im Augenblick noch fehlte. Ein Wolf, Symbol der Wildheit und des Kampfes. Ein großer grauer Räuber an seiner Seite … weniger Kampfgefährte als Statussymbol, als Zeichen der Macht.
»Komm«, lockte er wieder. »Komm her, mein Freund.«
Der Wolf bewegte sich langsam und kam auf die Zugbrücke zu. Einer der beiden Skelett-Krieger, die mit den Hellebarden Wache hielten, drehte den Kopf und äußerte sich knarrend.
»Erhabener Fürst, es handelt sich um ein wildes Tier! Es könnte Euch angreifen.«
»Es könnte, aber es wird nicht«, sagte Leonardo schroff. »Greift es nicht an. Ich will das Tier haben, doch es muß zu mir kommen.«
Bei einem Menschen hätte er befohlen: Bringt ihn zu mir! Oder er hätte ihn einfach unter Bewußtseinskontrolle genommen und geistig versklavt. Doch Leonardo wußte aus Erfahrung, daß das bei Tieren anders war. Sie reagierten zum Teil gar nicht; zum Teil völlig unerwartet auf menschliche Hypnoseversuche. Er konnte den Wolf nur anlocken und darauf warten, daß das Tier die Artverwandtschaft zwischen ihnen erkannte: Leonardo, der Wolf in Menschengestalt!
Deshalb verhielt er sich abwartend, zwang den Wolf nicht, der jetzt eine Pfote vor die andere setzte und langsam, vorsichtig herankam. Die feine Nase witterte beständig nach Gefahren und bedrohlichen Gerüchen.
Kurz zuckte ein Gedanke durch den Schwarzmagier. Gehörte nicht auch ein Wolf zum Zamorra-Team? Ein Wolf, der über besondere Fähigkeiten verfügen sollte? Welche Fähigkeiten das waren, entzogen sich allerdings Leonardos Kenntnis. Soweit hatte Asmodis ihn nicht informieren können.
Und Zamorra war in der Nähe … lag es da nicht nahe, daß der Meister des Übersinnlichen nicht allein kam, sondern von einigen seiner Gefährten begleitet wurde?
Aber dann schüttelte Leonardo den Kopf.
Wenn es Zamorras Wolf wäre, müßte er dumm sein. Dümmer als jede andere Kreatur. Gerade jetzt müßte er sich sagen, daß Leonardo ihn sofort durchschauen würde und auf der Stelle tötete. Es wäre glatter Selbstmord, sich allein und völlig offen dem Château zu nähern.
Oder … war es vielleicht ein Trick? Dachte der Wolf, Leonardo würde denken, daß …?
»Es führt zu weit«, murmelte der Schwarzmagier. »Jedes Wenn und jedes Aber führt um eine weitere Ecke in den Gedankenbahnen. Ich werde feststellen, was es mit dir auf sich hat, mein liebes Wölfchen. Komm ruhig näher.«
Er erhob sich wieder.
Der Wolf stoppte, beobachtete wieder. Die flinken Augen nahmen jede Bewegung im Hintergrund wahr. Der Wolf war vorsichtig.
Leonardo berührte mit den Fingerspitzen das
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