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0257 - Ein Grabstein ist kein Kugelfang

0257 - Ein Grabstein ist kein Kugelfang

Titel: 0257 - Ein Grabstein ist kein Kugelfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Grabstein ist kein Kugelfang
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deren Dunkelheit ihn im nächsten Augenblick schluckte.
    Jeff Condor ging an seinen Tisch zurück, der in einer hinteren Ecke des Saales stand. Während seine Blicke unablässig durch den Saal schweiften, in dem sich jetzt ein wildes Gewoge breitmachte, arbeitete es in seinem Hirn. Condor hatte einen bestimmten Plan. Im Geiste sah er sich schon als Besitzer eines erklecklichen Bankkontos, und er beglückwünschte sich zu seiner Bekanntschaft mit Papesca.
    Condor sah den tanzenden Paaren zu, machte eine unwillige Handbewegung, als ein ältliches Mädchen an seinen Tisch trat und Anstalten machte, sich niederzulassen. Er verscheuchte sie mit einem gemeinen Wort.
    Der Gangster-Agent nahm seine kostbare Armbanduhr hervor, deren Band vor einigen Sekunden gerissen war, so daß er sie jetzt in der Tasche trug. Es war noch nicht Mitternacht, und Condor wußte, daß er vor ein Uhr nachts keinen seiner Leute erreichen konnte.
    Die Kapelle spielte einen Blues. Das Stück endete mit einigen quäkenden, langgezogenen Tönen, die der Trompeter seinem Instrument kunstvoll entlockte. Der Tanz war zu Ende.
    In dem'kurzen Augenblick der Stille, der zwischen dem letzten Ton und dem Applaus der Tanzenden lag, brach ein lautes Poltern.
    Der Lärm kam aus dem Vorzimmer, das von den drei Gorillas bewacht wurde.
    Die Paare auf der Tanzfläche wandten die Köpfe und blickten in Richtung Tür.
    Jetzt hörte man einige klatschende Geräusche. Ein lautes Gebrüll folgte, das jäh abbrach.
    Wieder ein Poltern. Und dann plötzliche Stille. In der Menge der Tänzer entstand Bewegung, als Bill Sander sich einen Weg bahnte, wild mit den Armen rudernd die Umstehenden beiseite schob und Sekunden später an der Tür zum Vorzimmer war. Dicht hinter ihm bewegte sich Jeff Condor durch die gaffenden Pärchen. Er hatte seine Rechte in der Hosentasche vergraben, und es war anzunehmen, daß er nicht gerade nach dem Taschentuch fingerte.
    Sander stieß die Tür zu dem Vorzimmer auf.
    Ein groteskes Bild bot sich ihm.
    Hunter und Paloschewski lagen bewußtlos am Boden, Brown taumelte und erhielt in diesem Augenblick einen blitzschnell geführten Handkantenschlag gegen den Hals. Wie ein gefällter Baum brach er zusammen.
    Mitten im Vorzimmer aber stand - mit einer Miene, als befinde er sich auf einem Schaufensterbummel - ein kleiner dicker Mann.
    Er massierte die Fingergelenke seiner rechten Hand und sagte: »Mit Nick Morris Kysella fängt man keinen Streit an. Nicht einmal, wenn man Gorilla in Bills Dancing Hall ist.«
    ***
    Die Verblüffung war ausschließlich auf unserer Seite, und damit leider auch die Schrecksekunde.
    Haitch war ein Verbrecher, dem man jede Gemeinheit und jede Untat Zutrauen konnte. Daß er aber die Stirn haben würde, sich im Herzen New Yorks ohne sichtbare Vorsichtsmaßnahmen ungeniert zu bewegen, das hätten wir nie angenommen.
    Haitch Frechheit überstieg das Maß der Tollkühnheit. Aber der Vogelfreie war seiner selbst und des Gebrauchs der von ihm angewandten Mittel sicher. Außerdem befand er sich ununterbrochen in einer Hab-acht-Stellung. Er war ein Gehetzter, er wußte das, und es war kein Zufall, daß er die rechte Hand stets in der Außentasche seines Mantels vergraben hielt. Er umklammerte den Griff einer schweren automatischen Pistole, der ein langer Schalldämpfer aufgesetzt war.
    Henry Haitch und seine Schwester Caroline sahen uns im gleichen Augenblick wie wir sie. Unseren verdutzten Blicken und den plötzlichen Bewegungen, mit denen wir uns auffällig strafften, entnahmen sie anscheinend, daß wir sie erkannt hatten.
    Haitch stand etwa drei Schritte vor mir. Er sah mir direkt in die Augen. Es waren die kältesten Augen, die ich je gesehen habe.
    Die ganze Szene, die bis jetzt nicht länger als vier oder fünf Sekunden gedauert haben mochte, war von einer unheimlichen Lautlosigkeit. Wir standen uns ohne ein Wort gegenüber. Zwei G-men und ein Verbrecher waren durch wenige Schritte voneinander getrennt, belauerten sich und waren erstarrt in plötzlicher Bewegungslosigkeit.
    Phil und wir waren in einer heiklen Situation.
    Es war klar, daß wir Henry Haitch unter allen Umständen fassen mußten. Aber durften wir das Leben seiner Schwester, die sich unseres Wissens an keinem Verbrechen beteiligt hatte, gefährden, indem wir unsere Waffen zogen und einen Kugelwechsel riskierten?
    Haitch schien sich noch nicht darüber im klaren zu sein, wie er sich verhalten sollte. Daß wir ihn erkannt hatten, entnahm er unseren Mienen. Aber er

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