0259 - Der Prophet des Teufels
in einer so wichtigen Sache irren sollte.«
»Er hat sich eben doch getäuscht«, behauptete sie fest. »Er muss sich getäuscht haben.«
»Wussten Sie, dass Mister Rhodes an diesem Abend noch ausgehen wollte?«
»Ja. Er sagte mir das, während wir die Diskussion über den angeblichen Propheten hatten. Er glaubte, diesem am gleichen Abend, wie er sich ausdrückte, auf die Schliche kommen zu können.«
»Und Sie wussten auch, dass Mister Rhodes die Angewohnheit hatte, sich, bevor er am Abend ausging, nochmals zu rasieren.«
»Selbstverständlich wusste ich das. Allerdings benutzte er im Allgemeinen einen elektrischen Rasierapparat, aber dieser war so defekt und so nahm er wohl seinen alten Gillette.«
Das war mir neu. Diesen defekten Apparat wollte ich mir ansehen. Es konnte ja sein, dass er mit Vorbedacht außer Betrieb gesetzt worden war.
»Wie war Ihr Verhältnis zu Mrs. Rhodes?«, fragte ich weiter.
»Früher war es ausgezeichnet, aber in letzter Zeit hatte sie irgendetwas gegen mich, ohne dass ich dahinterkam, was. Vielleicht kam es daher, dass ich nicht genügend zur Kirche und zu den Betstunden ging, die sie und Miss Ardmore regelmäßig besuchten. Besonders Miss Ardmore nahm mir das augenscheinlich übel. Sie redete von Gottlosigkeit, von der Hölle und vom Teufel, aber damit konnte sie mich nicht schrecken. In religiösen Dingen habe ich eben meine eigenen Ansichten und Überzeugungen, die ich mir nicht nehmen lasse.«
Ich schwieg, und Phil schaltete sich ein.
»Welches waren Ihre Eindrücke von Rosie Holly und dem Ehepaar Rice? Zuerst Rosie Holly.«
»Rosie war oder vielmehr ist ein grundanständiger und sogar gescheiter, aber etwas schwerfälliger Mensch. Sie hat die Angewohnheit, das, was sie denkt, offen heraus zu sagen, auch 30 dann, wenn es besser wäre, den Mund zu halten.«
»Halten Sie Rosie Holly für unbedingt ehrlich?«
»So ehrlich, dass ich ihr ohne Bedenken mein ganzes Vermögen anvertraut hätte, wenn ich so etwas besäße. Darüber zu sprechen ist vollkommen abwegig.«
»Und dabei soll Rosie Holly vorgestern Selbstmord verübt haben, weil Miss Ardmore sie beim Stehlen silberner Löffel erwischte und ihr mit Strafanzeige drohte.«
»Das ist unmöglich.«
Cynthia war perplex und erschrocken. »Abgesehen davon, das Rosie niemals etwas gestohlen hätte, würde sie auch auf keinen Eall Selbstmord verübt haben. Ich erinnere mich noch, dass sie vor längerer Zeit, als etwas Derartiges in der Zeitung stand, sagte, Selbstmord sei eine Todsünde, genauso wie Mord.«
»Und wie ist es mit Mrs. Rice?«
»Mrs. Rice ist in gewisser Beziehung das Gegenteil von Rosie. Sie ist nervös und überängstlich. Ich erinnere mich noch ihrer Aufregung, als sie mich an dem Abend, an dem Alexander vergiftet wurde, weckte. Sie zitterte vor Aufregung am ganzen Körper.«
»Ist sie in anderer Beziehung zuverlässig? Kann man ihr unbesehen glauben, was sie behauptet?«
»Ich jedenfalls würde ihr glauben.«
»Das ist es für heute, wenigstens so weit es uns betrifft«, sagte ich. »Wir lassen Sie jetzt mit Mister Harris allein. Bitte, besinnen Sie sich, ob Ihnen in den letzten Tagen vor dem Mord irgendetwas Besonderes aufgefallen ist. Wir können Ihnen keinen Tipp geben, was das gewesen sein kann, aber bitte halten Sie keine Kleinigkeit für so unbedeutend, als dass Sie sie Mister Harris oder, wenn wir wiederkommen, uns mitteilen. Im Übrigen, Kopf hoch.«
Ich streckte ihr zum Abschied die Hand hin und im gleichen Augenblick stob die Wärterin zur Tür herein.
»Jede körperliche Berührung zwischen Gefangenen und Besuchern ist strengstens verboten. Ich muss Sie ersuchen, sich sofort zu entfernen.«
»Erstens gilt Ihr Gefängnis-Reglement nicht für uns«, grinste ich, »und zweitens hatten wir sowieso die Absicht zu gehen. Im Übrigen können Sie Mister Blunt unsere Grüße bestellen.«
»Wieso Mister Blunt?«, entrüstete sie sich. »Ich bin doch keine Angestellte der Staatsanwaltschaft.«
»Man kann nie wissen«, damit lächelten Phil und ich Cynthia an und verzogen uns.
***
»Das Mädchen macht einen ausgezeichneten Eindruck«, meinte mein Freund, als wir draußen waren und keine Lauscher mehr zu befürchten brauchten. »Übel ist nur, dass sie verschwieg, dass sie Alexander Rhodes tatsächlich liebte. Wenn Blunt das erfährt, wird er das nach besten Kräften ausnutzen.«
»Hoffentlich wird er es nicht erfahren, aber was viel wichtiger ist, dürfte die Tatsache sein, dass Mister Fabian mit
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