026 - Das Mordpendel
erwartet. Ich melde mich später wieder.«
Coco steckte das Sprechfunkgerät in ihre große Handtasche, schlüpfte in ihren Mantel und hängte sich ihre Tasche um. Sie trat in den Aufzug und fuhr in die Hotelhalle. Der Portier nahm den Schlüssel entgegen, und sie setzte sich auf einen Stuhl. Außer ihr waren noch zwei Ehepaare in der Halle. Coco griff nach einer Illustrierten und blätterte sie flüchtig durch. Sie rauchte eine Zigarette und versuchte, möglichst unbefangen zu erscheinen.
Einige Minuten vor einundzwanzig Uhr dreißig betrat Jim Osmonde die Halle. Er nahm seine Kappe ab und ging zum Portier. Er trug einen knöchellangen schwarzen Ledermantel.
Coco versuchte, etwas von der Unterhaltung zwischen Osmonde und dem Portier aufzuschnappen, doch sie saß zu weit entfernt. Osmonde nickte einmal, dann wandte er sich ab und winkte dem Portier flüchtig zu.
Er kam auf Coco zu. Sie hob den Blick und sah Osmonde an. Ihr fiel nichts Ungewöhnliches an ihm auf.
Osmonde lächelte. »Guten Abend, meine Herrschaften! Die Besichtigungsfahrt durchs nächtliche London beginnt.«
Coco legte die Illustrierte zur Seite und stand auf. Sie folgte Osmonde, und die beiden Ehepaare schlossen sich ihr an. Der Aussprache nach mußten es Amerikaner sein. Sie traten auf die Straße, und Coco blickte sich rasch um. Cohens Wagen stand unweit des Hotels.
Jim Osmonde öffnete den Kleinbus, und Coco stieg als erste ein. Sie nahm genau hinter dem Fahrersitz Platz. Eines der Ehepaare setzte sich neben sie, das zweite nahm auf der hinteren Sitzbank Platz. Osmonde schloß die Tür, ging um den Wagen herum und setzte sich hinters Lenkrad. Er startete und reihte sich langsam in den starken Abendverkehr ein.
Osmonde hatte sich die Kappe tief in die Stirn gedrückt. Er fuhr langsam.
»Links sehen Sie den Bahnhof Elephant & Castle«, sagte er nach einigen Minuten Fahrt. »Kein sehr bedeutender Bahnhof.«
Sie bogen in die London Road ein, und plötzlich änderte sich Osmondes Gesichtsausdruck. Coco beugte sich etwas vor. Schweißperlen rannen über Osmondes Stirn, und seine Hände verkrampften sich. Sein Gesicht wurde bleich, und die Lippen preßte er fest zusammen. Coco spürte eine seltsame Ausstrahlung, die rasch stärker spürbar wurde. Irgend etwas ergriff von Osmondes Geist Besitz. Coco sah deutlich, wie sich Osmonde gegen den fremden Zwang wehrte. Sie hätte eingreifen können; ein Dämonenbanner und einige Sprüche hätten geholfen, doch sie wollte wissen, was Osmonde unternehmen würde.
Der Kampf wurde lautlos geführt. Außer Coco nahm keiner der Fahrgäste etwas davon wahr. Sie wunderten sich höchstens, daß Osmonde extrem langsam fuhr. Es dauerte kaum zwei Minuten, und Osmonde hatte den Kampf verloren. Ein Dämon hatte von ihm Besitz ergriffen. Osmonde fuhr jetzt die Blackfriars Road entlang und beschleunigte.
Coco wandte den Kopf. Cohen war dicht hinter ihnen. Sie sah wieder Osmonde an. Sein Gesicht hatte sich erschreckend verändert; es war grau und eingefallen. Er fuhr immer rascher. Plötzlich riß er das Steuer herum und bog nach links ab. Immer schneller wurde die Fahrt.
»Rasen Sie doch nicht so!« empörte sich eine der Touristinnen.
Doch Osmonde hörte nicht auf sie. Er fuhr nur noch rascher.
Er muß verrückt geworden sein , dachte Cohen. Er hatte Mühe, dem Bus zu folgen, und an einer Kreuzung kam es fast zum Zusammenstoß. Osmonde raste bei Gelb über eine Kreuzung. Cohen mußte bremsen, um einen Autobus vorbeizulassen, dann stieg er so stark aufs Gaspedal, daß der Wagen wie eine Rakete vorschoß. Er sah gerade noch, wie Osmonde nach rechts in eine schmale Gasse einbog.
Der fährt ja kreuz und quer herum , dachte Cohen. Er hatte gute Lust, Verbindung mit Coco herzustellen.
Die wilde Verfolgungsjagd ging weiter, doch Cohen war ein zu guter Fahrer, um sich abschütteln zu lassen. Jetzt rasten sie die Waterloo Road entlang. Nach einigen Minuten Fahrt leuchteten die Bremslichter an Osmondes Wagen auf. Ohne zu blinken, bog Osmonde nach rechts in eine winzige Gasse ab.
Cohen folgte ihm. Doch plötzlich streikte sein Wagen. Der Motor starb gurgelnd ab. Fluchend drehte Cohen den Zündschlüssel herum, einmal, zweimal, doch der Motor sprang nicht wieder an. Cohen riß die Wagentür auf, nahm das Sprechfunkgerät an sich und blickte sich rasch um. Er befand sich in einer schmalen Gasse. Kein Auto war zu sehen, kein Licht brannte in den niedrigen Häusern, und kein Mensch war auf der Straße. Weit vor sich sah er
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