0266 - Der Hunderttausend-Dollar-Koffer
Nachdenklich betrachtete ich den Telefonhörer, nahm ein Taschentuch und fasste ihn mit den Fingerspitzen an.
Ich wählte Lil Wayts Nummer. Der Ruf kam an. Ich wartete, aber am anderen Ende der Leitung wurde nicht abgenommen.
Ich drückte die Gabel nieder, ließ sie hochschnellen und probierte es noch einmal. Wieder meldete sich Lil Wayt nicht.
Während ich noch wartete, rechnete ich die Zeit nach. Ich hatte mich nicht sonderlich beeilt, aber länger als eine halbe Stunde hatte ich von meiner Wohnung bis zur 41. Straße nicht gebraucht. Hatte Lil Wayt nicht von ihrer Wohnung aus angerufen?
Ich ließ das Apartment wie es war, und sauste mit beachtlicher Eile zur Tür, stoppte aber noch einmal und ging ins Badezimmer. Nein, auch hier gab es nichts von Bedeutung zu sehen.
Sobald ich den Jaguar in Gang gebracht hatte, gab ich Vollgas. Ich holte so viel wie möglich aus ihm heraus, und ich brauchte nur eine Viertelstunde bis zur 37. Straße.
Vor Nr. 1215, dem Haus, in dem Lil Wayt wohnte, stand ein Streifenwagen der City Polizei, um den sich ein paar Leute drängten.
Ich stoppte, sprang aus meinem Wagen und ging auf den Sergeanten zu.
»FBI«, sagte ich. »Was ist los, Sergeant?«
»Wahrscheinlich ein falscher Alarm, Sir. Diese Frau hier«, er zeigte auf eine schmale, ältere Frau, die nur einen Mantel über ihr Nachthemd geworfen hatte, »behauptet, die Schreie einer Frau gehört zu haben.«
»Ja, das stimmt auch«, sagte die Frau. »Drei-, viermal hat sie geschrieen.«
»Woher kamen die Schreie?«
»Von der Straße!«
»Haben Sie irgendetwas gesehen?«
»Nein, ich bin gleich zum Fenster gegangen, aber ich habe niemanden mehr gesehen. Nur ein Auto habe ich noch fortfahren hören.«
»Gehört, aber auch nicht gesehen?«
»Ja, nur gehört. Ich bekam das Fenster nicht so schnell auf.«
»Hat sonst noch jemand die Schreie gehört?«, fragte ich den Sergeanten.
»Ja, ich«, meldete sich ein Mann, »aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Das waren bestimmt nur Betrunkene, die Unsinn gemacht haben. Das kommt in der Gegend hier oft vor.«
»Wann hörten Sie die Schreie?«, wandte ich mich an die Frau.
»Das ist schon ’ne ganze Zeit her. Ich habe kein Telefon. Ich musste erst meinen Nachbar herausklingeln, und dann wollte er zuerst nicht die Polizei anrufen, und dann habe ich…«
»Wie lange ist es her?«
»Vielleicht ’ne halbe Stunde.«
Ich winkte dem Sergeanten.
»Kommen Sie mit!«
Ich ging zur dritten Etage von Nr. 1215 hoch und läutete an Lil Wayts Tür. Niemand öffnete. Ich benutzte den Dietrich.
Zusammen mit dem Sergeanten betrat ich die Wohnung. Wir durchsuchten sie flüchtig. Sie war leer.
»Okay, Sergeant«, sagte ich. »Für Sie ist die Angelegenheit erledigt. Das FBI übernimmt den Fall.«
»Jawohl, Sir. Soll ich die Leute noch vernehmen?«
»Ich denke, es ist überflüssig. Niemand hat etwas gesehen. Am besten sagen sie den Leuten, es sei nichts geschehen, und sie sollen sich wieder ins Bett legen.«
Der Polizist verließ die Wohnung. Ich blieb in ziemlich nachdenklicher Verfassung zurück. Es war leicht zu erkennen, dass Lil Wayt sich den ganzen Tag in nervöser Verfassung befunden hatte. Der Aschenbecher quoll vor halbgerauchten Zigaretten über. Ein Abendessen, das sie sich offenbar in aller Eile zubereitet hatte, stand kaum angerührt neben dem Aschenbecher. Die Gabel lag noch auf dem Teller. Lil Wayt gehörte nicht zu den Frauen, die Ordnung lieben. Ein Stillleben aus halbvollen Whiskyflaschen, schmutzigen Gläsern, Zigarettenasche und ungeleerten Tellern störte sie nicht.
Der Anblick der Whiskyflasche brachte mich auf die Idee, in dem kleinen Barschrank nachzusehen, aus dem Lil Wayt bei meinem Besuch die Pistole gezaubert hatte. Die kleine Waffe lag nicht darin.
Es sah so aus, als sei die Frau eilig, aber freiwillig fortgegangen. An der Garderobe hing kein Mantel, sodass ich annehmen konnte, sie hatte ihn angezogen, bevor sie die Wohnung verließ. Wenn ein Zusammenhang zwischen dem Schrei, den jene Frau gehört haben wollte, und Lil Wayt bestand, so musste sie kaum zehn Minuten, nachdem sie mit mir telefoniert hatte, ihre Wohnung verlassen haben. Was hatte sie dazu bewogen, nachdem sie sich doch geweigert hatte, am hellen Tage zur 41. Straße zu fahren, um nach Paola Baker zu sehen? Ein Anruf? - Ja, das war das einzig Wahrscheinliche, aber wer hatte angerufen? Paola Baker?
Ich ging zum Telefon, das am äußersten Ende des Tisches stand. Neben dem Telefon lag ein
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