0269 - Der Höllenspiegel
ein Opfer durch das Tor paßte, verhinderte er, daß Zamorra mit einer ganzen Armee von Freunden und Kampfgefährten eindrang. Und Zamorra war sicher, daß sich hinter ihm das Tor endgültig schließen würde.
Er ging zum Sessel zurück und nahm den Telefonhörer wieder auf. »Raffael? Sind Sie noch dran?«
Es kam keine Antwort, aber von irgendwo hörte Zamorra das Rascheln und das dumpfe Knallen von Papier und schweren Büchern. Raffael schlug also nach.
Zamorra wartete ab. Für Nicole konnte er im Moment nichts tun. Er mußte sorgfältig ans Werk gehen. Er half ihr nicht, wenn er blindwütig wie der Stier aufs rote Tuch zuraste. Er mußte aufpassen, sein Vordringen in die Welt jenseits der Falle sorgfältig vorbereiten.
Zunächst einmal galt es, eine Antwort zu finden auf die Frage: Warum eine andere Dimension? Rechnete der Dämon sich dort Chancen aus? Inzwischen hatte es sich wohl zumindest unter den bedeutenderen Dämonen herumgesprochen, daß Zamorra fast nicht auszuschalten war; fast zweieinhalb Hundertschaften höherer und niederer Dämonen hatten diese Erkenntnis mit der Auslöschung ihrer Existenz bezahlt. Wer also Zamorra direkt angriff, war entweder strohdumm, oder er mußte schon erheblichen Aufwand betreiben und um ein paar Dutzend Ecken herum vorgehen, um sich selbst dabei zu schützen.
Daß dieser unbekannte Dämon aus einer anderen Dimension heraus zuschlug, deutete darauf hin, daß dort einiges anders war als auf der Erde. Aus irgend welchen Gründen hatte dort der Dämon die besseren Karten, oder er würde sich hüten, Zamorra zu sich holen zu wollen. Denn dumm oder unwissend konnte er nicht sein, sonst wäre es ihm nicht gelungen, etwas so Kompliziertes wie ein Weltentor zu schaffen.
Zamorra mußte also damit rechnen, daß er drüben stark gehandicapt war. Sein Schutz mußte so gut wie möglich sein. Er mußte bei seinen Vorbereitungen also auch persönliche Schutzzauber einsetzen. Kurz zog er sogar in Erwägung, zu einem Houngan oder einer Mamaloi zu gehen, um sich mittels des Voodoo-Zaubers Schutz zu verschaffen. Aber es würde zu lange dauern, einen Zauberpriester zu überreden, und wenn die Zeit nicht günstig war, hatte es ohnehin keinen Zweck. Auch der Voodoo unterlag eigenen Gesetzen, die zu mißachten nicht gut war.
Früher… früher hätte Merlins Stern, das Amulett, schon ausgereicht. Es wäre Schutz genug gewesen. Doch seit Leonardo deMontagne es in den Händen gehalten hatte, war es unberechenbar. Zamorra konnte sich nicht hundertprozentig darauf verlassen. Ebensowenig wie auf das Zauberschwert Gwaiyur, das zwischen Gut und Böse pendelte und sich nach eigenem Gutdünken mal für die eine, mal für die andere Seite entschied -vorzugsweise gerade dann, wenn Zamorra es benötigte und sich darauf verlassen mußte.
Nun, weiterhin mußte er ein oder mehrere Mittel finden, seinerseits den Dämon anzugreifen, der in einer Dimension Heimvorteil hatte. Und das alles zusammen möglichst schnell, ehe der Fallensteller die Geduld verlor und sich endgültig an Nicole vergriff. Daß er ihr jetzt schon etwas antat, daran glaubte Zamorra nicht so ganz.
Er lauschte in den Telefonhörer. Es dauerte noch eine Weile, bis Raffael sich wieder bemerkbar machte. Die Gebühren für das Transatlantik-Gespräch würden bereits astronomische Höhen erreicht haben, aber im Moment war Zamorra dies ziemlich gleichgültig. Notfalls konnte er immer noch Peter McCoy eine Rechnung schreiben. Denn schließlich ging es auch um dessen Verlobte, die zuerst entführt worden war.
»Hören Sie, Professor…«, und dann ratterte Raffael herunter, was er aus den alten Zauberbüchern in Erfahrung gebracht hatte. Zamorra brauchte nicht mitzuschreiben. Er behielt alles im Kopf. Sein Gedächtnis war ausgezeichnet.
»Ich danke Ihnen«, sagte er schließlich und legte auf, ehe Raffael noch fragen konnte, um was es eigentlich ging. Man mußte das Telefonat ja nicht unbedingt noch teurer machen.
Zamorra überlegte. Er mußte einige Dinge besorgen, was Zeit benötigen würde.
Aber wozu befand er sich in einem First-Class-Hotel? Mochte sich das Personal seine Gedanken machen… Zamorra rief nach dem Zimmerservice.
Der gute Mann in roter Livree hörte sich alles staunend und kopfschüttelnd an, enthielt sich aber jeder kritischen Bemerkung. Der Gast hat immer Recht, und solange Zamorra großzügige Trinkgelder gab, konnte er sich besorgen lassen, was er wollte, wenn es sich nicht gerade um die gemahlene Schwanzrassel einer
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